sozial-Politik

Fremdenangst

Besorgt um die deutsche Mitte




Persönlicher Kontakt hat Einfluss auf die Einstellung zu Flüchtlingen.
epd-bild / Christian Ditsch
Die Zuwanderung polarisiert die Mittelschicht in Deutschland: Die einen engagieren sich tatkräftig in der Flüchtlingshilfe, die anderen lehnen Zuwanderer radikal ab. Dabei zeigt sich: Mit dem persönlichen Kontakt zu Flüchtlingen ändert sich auch die Haltung.

Ein aktuelles Forschungsprojekt aus Österreich, das in der Debatte über die Radikalisierung von Gesellschaften während der Flüchtlingskrise neue Erkenntnisse liefert, kommt zu dem Ergebnis: Der direkte Kontakt zu Flüchtlingen verändert die Einstellung zu ihnen: Die Haltung wird positiver, und auch die Zustimmung zu rechtsextremen Parteien sinkt.

Einfluss von Befindlichkeiten

Wirtschaftswissenschaftler Andreas Steinmayr von der Ludwig-Maximilians-Universität München untersucht im ländlichen Oberösterreich den Einfluss von Asylbewerbern in der Nachbarschaft auf die Unterstützung der rechten FPÖ, die ihren Zulauf nach einem auf die Flüchtlingskrise ausgerichtetem Wahlkampf vielerorts verdoppeln konnte. "Gibt es im Ort Flüchtlingsunterkünfte, verringert sich die Zustimmung zur FPÖ", sagt Steinmayr, der für die Studie Wahldaten ausgewertet und Interviews mit Anwohnern geführt hat. Gleichzeitig erhöhte sich bei Kontakt zu den Flüchtlingen die Zuversicht, die Integration bewältigen zu können.

Auch Befindlichkeiten können viel ausmachen. Denn: Persönliche Verbitterung führt tatsächlich zu feindlichen Einstellungen gegenüber Zuwanderern. Das zeigt eine andere aktuelle Studie des Wirtschaftsforschungsinstitut ifo. "Wer glaubt, selber nicht das im Leben zu bekommen, was ihm zusteht, macht sich mehr Sorgen um Einwanderung", sagt ifo-Forscher Panu Poutvaara, der dafür die Daten des Sozioökonomischen Panels ausgewertet hat.

"Das gilt auch für Menschen mit regelmäßigem Einkommen und für Rentner, die gar nicht mehr mit den Neuzuwanderern auf dem Arbeitsmarkt konkurrieren." Sorgen macht sich also auch die Mittelschicht, über die nach der Studie des Kompetenzzentrums Rechtsextremismus der Universität Leipzig zu autoritären und rechtsextremen Einstellungen mit dem Titel "Die enthemmte Mitte" heftig diskutiert wird.

"Die Mittelschicht stabilisiert"

Ökonomie-Professor Poutvaara hält die im europäischen Vergleich große mittlere Einkommensschicht in Deutschland trotz der Ergebnisse seiner Studie über die Wirkung von Verbitterung für ein stabilisierendes Element der deutschen Gesellschaft. Auch die gute Konjunktur nutze Deutschland in dieser Hinsicht. "In Ländern mit hoher Arbeitslosigkeit wie Griechenland radikalisieren sich die Bürger viel stärker nach rechts und nationalistische Parteien haben mehr Zulauf."

Auch in Deutschland richteten sich populistische Gruppen gezielt an die Unzufriedenen und schürten deren Ängste. "Es sind Umbruchszeiten überall in Europa." Hierzulande sei das Klima aber gemäßigt, findet Poutvaara. "Es gibt ja vor Ort auch viel Unterstützung für Flüchtlinge."

Allerdings spricht auch die Kriminalstatistik eine deutliche Sprache: Um rund 30 Prozent stieg im Jahr 2015 nach Angaben des Bundeskriminalamts die Zahl rechter Straftaten – verübt auch von Menschen, die der Polizei vorher nie als rechtsextrem auffielen. "Es gibt einen neuen Tätertyp, der die Schwelle von der Ideologie zum Anschlag ohne Zwischenschritte überschreitet", warnte kürzlich auch NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) bei der Vorstellung des Landesverfassungsschutzberichts. Ist das "die enthemmte Mitte"?

Ablehnung einzelner Gruppen

Zwar seien rechtsextreme Einstellungen insgesamt in der Bevölkerung nicht gestiegen, schreiben die Autoren des Leipziger Kompetenzzentrums Rechtsextremismus in der umstrittenen Studie: Der Anteil von Menschen mit einem "geschlossenen rechtsextremen Weltbild" liegt bei fünf Prozent, der niedrigste je erhobene Wert der 14-jährigen Studienreihe.

Dafür wuchs aber die gemessene Bereitschaft der extrem Eingestellten, Ziele gewaltsam durchzusetzen. Und: Einzelne Gruppen wie Muslime, Sinti und Roma, Asylsuchende und auch Homosexuelle werden in der Bevölkerung stärker abgelehnt als noch 2014. Die Mitte polarisiere sich: "Wir haben Menschen, die sich aktiv um Flüchtlinge bemühen, und es gibt Menschen, die Flüchtlinge aktiv ablehnen", sagt Studienleiter Elmar Brähmer.

Zeichen für eine enthemmte Mitte der Gesellschaft? Für den Berliner Extremismusforscher Klaus Schröder wurde "viel zu pauschal gefragt und dann wurden skandalisierende Schlüsse gezogen". Es seien ja tatsächlich in kurzer Zeit mehr als eine Million Flüchtlinge aufgenommen worden und gleichzeitig durch die EU-Osterweiterung weitere Einwanderer gekommen. "Dass diese Quantität vielen Menschen Angst macht, macht sie nicht zu Radikalen", sagt der Politologe, der die deutsche Mitte für "stabil" hält.

Die meisten Bürger seien zufrieden mit ihrem Leben, "auch das lässt sich durch Umfragen belegen", sagt Schröder und verweist auf eine Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach, nach der 91 Prozent der 30- bis 59-Jährigen ihre Lebensqualität als gut oder sehr gut bewerten. "Dafür, dass es tatsächlich neue soziale Herausforderungen gibt, ist die deutsche Gesellschaft insgesamt sehr gemäßigt."

Miriam Bunjes


Integration

Forscher: Sozialreformen gegen Fremdenfeindlichkeit



Die schwelende Fremdenfeindlichkeit in Deutschland kann nach Ansicht des Politikwissenschaftlers Christoph Butterwegge durch Sozialreformen aufgefangen werden. Nötig seien dazu der Umbau des Sozialstaats und eine Anhebung des Rentenniveaus, sagte der Kölner Wissenschaftler am 12. Juli in Karlsruhe bei der Diskussionsveranstaltung "Fluchtziel Europa: Gesellschaftliche Ängste wahrnehmen/verstehen/bewältigen". Flüchtlinge, aber auch andere Ausländer, Homosexuelle oder Andersdenkende seien für viele Menschen "lediglich die Sündenböcke für die angestaute Angst vor dem sozialen Abstieg", begründete er seine Auffassung im Badischen Staatstheater Karlsruhe.

Ein Drittel der Bevölkerung ist nach Butterwegges Einschätzung "nur eine schwere Krankheit oder eine Kündigung vom Damoklesschwert Hartz IV" und damit dem Sturz ins soziale Abseits entfernt. Die Angst davor "fällt nicht vom Himmel, sie ist das Ergebnis einer fehlgeleiteten Regierungspolitik", sagte der Armutsforscher. Trotz einer guten wirtschaftlichen Situation in Deutschland werde die Kluft zwischen armen und reichen Bürgern immer tiefer. Nur durch eine "sozialpolitische Großoffensive" könne diese Entwicklung gestoppt werden, so Butterwege. Sonst drohe der Bundesrepublik in einer nächsten Wirtschaftskrise ein weiterer Rechtsruck.

Angst vor dem Unbekannten führe in der Regel zu "Vorverurteilung und Diskriminierung", mahnte Sozialpsychologe Ulrich Wagner von der Universität Marburg. In Deutschland würden viele noch zu einer Kategorisierung der Menschen nach bestimmten Mustern neigen. "Viele Leute empfinden Fremde generell als bedrohlich", sagte Wagner. Zum Abbau von Berührungsängsten durch Kennenlernen sei deshalb der unermüdliche Einsatz ehrenamtlicher Helfer in der Flüchtlingsarbeit von "unschätzbarem Wert".



Pro und Kontra

Legalisierung von Cannabis für Schmerzpatienten




Schmerzpatienten soll der Zugang zu Cannabis erleichtert werden.
epd-bild/Jörn Neumann
Ein Gesetzentwurf von Bundesgesundheitsminister Gröhe (CDU) sieht vor, dass Ärzte ihren Patienten Cannabis-Blüten und -Extrakte verschreiben können, wenn herkömmliche Schmerzmittel nicht helfen. Am 8. Juli hat der Bundestag erstmals darüber beraten.

Auf Antrag sollen die Krankenkassen künftig die Kosten für die Therapie übernehmen. Es ist außerdem eine Begleitforschung vorgesehen. Argumente der Befürworter und Kritiker der Legalisierung von Cannabis für Schmerzpatienten im Überblick.

Pro Legalisierung

Die erleichterte Freigabe von sogenannten Cannabinoiden, den Inhaltsstoffen der Hanfpflanze, würde vielen schwerkranken Schmerzpatienten in Deutschland helfen. "Wir begrüßen den Beschluss sehr, da es durch Cannabinoide in Einzelfällen zu beachtenswerten Linderungen kommt", sagt der Geschäftsführer der Deutschen Schmerzgesellschaft, Thomas Isenberg. Bei diesen Patienten wirken herkömmliche Schmerzmittel nicht, sondern ausschließlich Cannabis-Produkte. Dazu gehören vor allem Menschen mit Multipler Sklerose, einer Querschnittslähmung oder Nervenverletzung sowie HIV-Infizierte.

Viele Patienten sind bislang gezwungen, Cannabis illegal zu Hause anzubauen. Sie halten ihren Konsum oft geheim, um nicht als Drogenkonsument dazustehen. Außerdem besteht beim Eigenanbau die Gefahr, dass die Qualität und Sicherheit nicht ausreichend sind. "Stimmt das Parlament dem Gesetzentwurf zu, dann wird damit die illegale private Hanfplantage für Kranke endlich Vergangenheit", so Ebert.

Zwar gibt es nach Behördenangaben schon jetzt rund 780 Patienten, die eine Ausnahmegenehmigung für Cannabis-Blüten und -Extrakte haben. Sie dürfen sich diese legal in einer Apotheke kaufen, müssen sie aber bislang selbst bezahlen. "Es handelt sich dabei in aller Regel um schwerstkranke Patienten, die häufig nicht arbeiten können und deshalb über wenig Geld verfügen", sagt Alexander Ebert von der Deutschen Stiftung Patientenschutz. Oft ist die Therapie deshalb für viele Menschen zu teuer und deshalb nicht verfügbar.

Für Kranke war es bislang zudem sehr aufwendig, vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) eine Ausnahmegenehmigung für Cannabisprodukte zu bekommen. "Tritt das Gesetz in Kraft, endet für Hunderte Betroffene auch der Spießrutenlauf durch die Bürokratie", sagt Ebert.

Eine Legalisierung von Cannabis-Produkten würde sich positiv auf die Qualität auswirken, da eine staatliche Cannabis-Agentur eingerichtet würde, die für Anbau und Reinheit des Hanfes zuständig wäre. Vor allem das auf dem Schwarzmarkt erworbene Cannabis sei oft mit anderen Substanzen gestreckt und verunreinigt, argumentieren Befürworter der Legalisierung. Die Patienten müssten dann auch nicht mehr das Risiko übernehmen, sich selbst zu gefährden und den Erfolg ihrer Therapie aufs Spiel zu setzen.

Kontra Legalisierung

Kritiker argumentieren mit den hohen zusätzlichen Kosten, die durch eine Legalisierung von Cannabis-Produkten auf das Gesundheitswesen und die Beitragszahler zukämen. Bislang sind in der Apotheke erworbene Cannabis-Produkte sehr teuer. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums fallen je nach Bedarf an getrockneten Cannabis-Blüten pro Patient zwischen 540 und 1.800 Euro im Monat an. "Dabei geht man wohl von einer Menge von 30 Gramm im Monat aus, die die Kassen übernehmen würden", erläutert Thomas Isenberg von der Deutschen Schmerzgesellschaft.

Wenn der Gesetzgeber die Legalisierung beschließt, muss erst einmal eine sogenannte Cannabis-Agentur eingerichtet werden, die den Anbau ausschreibt und kontrolliert, um stets dieselbe Qualität zu gewährleisten. Zwar entfällt damit der aufwendige Antrag zur Ausnahmeregelung, doch die Hürde bleibt hoch. Außerdem ist frühestens 2017 mit einer Aussaat zu rechnen, bis dahin muss importiert werden - was wiederum nicht einfach ist: Wie die Fachzeitschrift "Deutsche Apotheker Zeitung" schreibt, ist der Anbau von Cannabis in Europa noch selten.

Klinische Studien, die die Wirksamkeit von Cannabis zu medizinischen Zwecken belegen, fehlen. Doch nur mit diesen Ergebnissen können Ärzte wirklich beurteilen, ob Cannabis eine adäquate Alternative zu Opiaten darstellt. Im Entwurf zum Gesetz von Bundesgesundheitsminister Gröhe ist festgeschrieben, dass sich die Patienten zur Teilnahme an einer Begleiterhebung verpflichten müssen. Nach fünf Jahren sollen die Ergebnisse evaluiert und dem Gemeinsamen Bundesausschuss vorgelegt werden.

Barbara Driessen und Elisa Makowski


Verbraucherschützer

Flüchtlinge tappen in Vertragsfallen



Die Beratung von Flüchtlingen ist ein neues wichtiges Arbeitsfeld für die Verbraucherschützer in Rheinland-Pfalz geworden. Probleme bereiteten Asylsuchenden vor allem Telefon- und Internetverträge sowie Nachforderungen von Energieunternehmen, sagte Ulrike von der Lühe, Vorstand der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz, am 7. Juli in Mainz bei der Vorstellung des Jahresberichts 2015.

Für Flüchtlinge sei das deutsche Wirtschaftssystem oft völlig fremd, begründete der für den Themenbereich zuständige Referent Marc-André Reinartz das Engagement der Verbraucherschützer. Vielfach gebe es Berichte über Vertreterbesuche in Gemeinschaftsunterkünften. Den Menschen dort würden dabei unter anderem problematische Mobiltelefonverträge verkauft, die die Nutzer gar nicht verstünden. "Da gibt es Verträge mit zweijähriger Laufzeit, ohne dass die Flüchtlinge wissen, wie lange sie überhaupt in Deutschland bleiben", sagte Reinartz.

Bei den Kosten für Strom und Heizung bestehe ebenfalls erheblicher Informationsbedarf. Viele Flüchtlinge hätten keine Vorstellung von den verhältnismäßig hohen Energietarifen in Deutschland. Auch das System der Abschlagszahlungen sei in weiten Teilen der Welt unbekannt. Schlecht isolierte Wohnungen mit Nachtspeicherheizung, aber auch unsachgemäße Nutzung von Geräten, etwa die Beheizung einer Unterkunft mit Hilfe des Backofens, hätten für die Betroffenen schon im Einzelfall Nachforderungen von bis 2.000 Euro zur Folge gehabt.

In solchen Fällen habe die Verbraucherzentrale bereits versucht, eine Lösung zwischen den Betroffenen und den Energieversorgern auszuhandeln. Eine weitere wichtige Aufgabe bei der Beratung von Flüchtlingen sehen die Verbraucherschützer darin, über die Notwendigkeit einer privaten Haftpflichtversicherung zu informieren. Hohe Schadensforderungen nach Fahrrad-Unfällen oder Sachbeschädigungen seien mittlerweile ein Thema bei allen Treffen in Asylunterkünften.



Flüchtlinge

Deutschland schiebt weiterhin nicht nach Griechenland ab



Deutschland wird bis Jahresende weiter keine Flüchtlinge nach Griechenland zurückschicken, auch wenn das Land eigentlich für die Bearbeitung des Asylantrags zuständig wäre. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) teilte am 8. Juli in Berlin mit, dass die Aussetzung der sogenannten Dublin-Überstellungen für ein weiteres Jahr verlängert werde. Dies hätten auch andere europäische Länder so entschieden. Deutschland könne da nicht ausscheren.

Nach der Dublin-Regel müssen Flüchtlinge in dem EU-Staat ihren Antrag stellen, über den sie in die EU eingereist sind. Ausnahmen sind möglich, indem ein anderer Staat selbst für das Verfahren eintritt. Wegen gravierender Mängel im griechischen Asylsystem hat Deutschland die Abschiebungen dorthin 2011 erstmals ausgesetzt und seitdem die Aussetzung immer wieder verlängert.

Die EU-Kommission und Mitgliedstaaten drängen Griechenland zu Verbesserungen. Laut Bundesinnenministerium hat sie zuletzt Fortschritte bescheinigt, sieht aber weiter Bedarf für Veränderungen. Die bisherige Aussetzung der Überstellungen aus Deutschland war am 1. Juli ausgelaufen. De Maizière hat aber erst jetzt über den weiteren Verzicht auf Abschiebungen entschieden.



Flüchtlinge

Sachsen bringt Asylfakten auf Bierdeckeln unter die Leute



Per Bierdeckel will Sachsen künftig über das Thema Asyl aufklären. In verständlicher und knapper Form sollen dort Fakten vermittelt und Vorurteile ausgeräumt werden, erklärte Integrationsministerin Petra Köpping (SPD) am 13. Juli in Dresden. Die beidseitig bedruckten Bierdeckel gibt es in sechs Varianten. Sie sollen über Netzwerke wie Gaststättenverbände in ganz Sachsen verteilt werden.

Ziel der Initiative, die von mehreren Vereinen und zivilgesellschaftlichen Bündnissen mitgetragen wird, ist die Versachlichung der Debatte. Deshalb hätten sich die Kooperationspartner an konkrete, nachprüfbare Zahlen und Zitate gehalten, die sich unter anderem mit den Themen Arbeitsmarkt, Kriminalität und Fluchtursachen beschäftigen, hieß es.



Bayern

Geld für Kitas zur Förderung von Flüchtlingskindern



Kindertageseinrichtungen in Bayern bekommen vom Freistaat zusätzlich sechs Millionen Euro, um Kinder von Asylbewerbern besser fördern zu können. Das Geld fließt an die Landkreise und kreisfreien Städte. Es soll für Dolmetscher, Fortbildungen für das pädagogische Personal oder Fahrdienste eingesetzt werden, wie das bayerische Familienministerium in München am 10. Juli mitteilte.

Es sei wichtig, dass Jungen und Mädchen aus unterschiedlichsten Kulturkreisen möglichst schnell Deutsch sprechen lernten und die demokratischen Grundwerte der Gesellschaft kennenlernten. Die ist nach Worten von Familienministerin Emilia Müller (CSU) ein zentraler Baustein für eine gelingende Integration. In diesem Jahr werden ihren Angaben zufolge insgesamt rund 6.000 Kinder von Asylsuchenden in den Einrichtungen aufgenommen.



Sachsen

Jugendämter kümmern sich um deutlich mehr Flüchtlingskinder



Sachsens Jugendämter haben im vergangenen Jahr zehn Mal so viele minderjährige Flüchtlinge aufgenommen wie noch 2014. Die Zahl der sogenannten vorläufigen Schutzmaßnahmen für die Kinder und Jugendlichen stieg innerhalb nur eines Jahres von 140 auf 1.350, wie das statistische Landesamt am 13. Juli in Kamenz mitteilte. Die Kinder waren ohne Eltern nach Deutschland eingereist und wurden für einige Tage oder mehrere Wochen in einer Einrichtung untergebracht.

Mittlerweile betrifft in Sachsen jede dritte vorübergehende Schutzmaßnahme einen solchen Fall. Ihr Anteil lag im Jahr 2014 noch bei lediglich fünf Prozent. Insgesamt stieg die Zahl der Inobhutnahmen im Freistaat um knapp 50 Prozent von 2.800 auf 4.100. Darin eingeschlossen sind die Aufnahmen der Flüchtlingskinder.

Leicht gestiegen aber ist auch die Zahl der sächsischen Kinder und Jugendlichen, die aus den Familien genommen wurden, weil die Eltern überfordert waren. 2014 zählte das Statistikamt noch 1.372 solcher Fälle, 2015 waren es 1.407 (plus 2,5 Prozent).



Flüchtlinge

NRW: Deutlicher Anstieg ausländischer Schüler



Die Zuwanderung von Flüchtlingen hat die Zahl der ausländischen Schüler in Nordrhein-Westfalen deutlich nach oben getrieben. Wie das NRW-Schulministerium am 8. Juli in Düsseldorf mitteilte, wurden laut einer Sondererhebung Ende April insgesamt rund 245.600 ausländische Schüler unterrichtet. Das waren etwa 14 Prozent oder 30.200 mehr als im Oktober 2015. "Die Zahlen untermauern: Die Integration in Nordrhein-Westfalen ist eine Herausforderung für unser Schulsystem", sagte Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne).

Den Angaben zufolge haben Grundschulen mit rund 13.900 zugewanderten Kindern zahlenmäßig die meisten neuen Schüler hinzugewonnen. Prozentual gesehen hat jedoch die im Oktober 2011 geschaffene Sekundarschule die höchste Steigerungsrate zu verzeichnen: Dort stieg die Zahl der ausländischen Schüler um rund 34 Prozent auf etwa 3.400. Zum Stichtag 29. April gab es rund 9.800 Fördergruppen für die deutsche Sprache, in denen 89.400 Teilnehmer unterrichtet wurden. Die Grundschulen hatten mit rund 38.100 Kindern die höchsten Teilnehmerzahlen in den Sprachfördergruppen.

Seit 2015 hat die Landesregierung den Angaben zufolge zusätzlich knapp 5.800 Lehrerstellen für den Unterricht von zugewanderten Kindern und Jugendlichen geschaffen, weitere 173 Stellen sollen mit dem zweiten Nachtragshaushalt hinzukommen. Für die Sprachförderung in NRW stünden damit nun über 4.700 Stellen zur Verfügung, erklärte das Ministerium.



Kirchen

Arbeitskreis Asyl in Stuttgart feiert 30-Jähriges



Seit 30 Jahren bietet der Arbeitskreis Asyl der evangelischen Kirche in Stuttgart nicht nur praktische Unterstützung, sondern engagiert sich auch politisch. "Wir haben einen biblischen Auftrag und können gar nicht anders, als die Flüchtlinge aufzunehmen", sagte Asylpfarrer Joachim Schlecht am 12. Juli anlässlich des 30-jährigen Bestehens.

Laut Diakonie-Dekan Klaus Käpplinger müsse man "den Finger immer wieder in die Wunde legen, um auf Missstände hinzuweisen". So setze sich der AK Asyl beispielsweise dafür ein, dass der Betreuungsschlüssel von derzeit 136 zu betreuenden Flüchtlingen auf 120 gesenkt wird.

Der Arbeitskreis wurde 1986 vom damaligen Asylpfarrer Werner Baumgarten gegründet.



Integration

Lesestart-Projekt für Flüchtlingskinder in Hemer



Die zentrale Flüchtlingsunterkunft im sauerländischen Hemer hat sich einem bundesweiten Lesestart-Programm für Flüchtlingskinder angeschlossen. Die nordrhein-westfälische Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) übergab am 12. Juli Lesestart-Sets an Eltern und Kinder sowie eine Lese- und Medienbox an die Leitung der Einrichtung, wie die Stiftung Lesen in Mainz mitteilte. Die Stiftung setzt das dreijährige Programm zur Integrationsförderung im Auftrag des Bundesbildungsministeriums um.

Löhrmann sagte, in Erstaufnahme- und zentralen Unterbringungseinrichtungen beginne für viele geflüchtete Kinder und deren Familien ein neuer Lebensabschnitt. "Hier wird auch der Grundstein für eine erfolgreiche Integration gelegt - beispielsweise mit regelmäßigen Vorleseangeboten, die den Kindern vor Ort eine Orientierungshilfe in der neuen Umgebung sind."

Im Rahmen des Programms erhalten Flüchtlingskinder bis fünf Jahre in Erstaufnahmeeinrichtungen ein Lesestart-Set mit einem altersgerechten Buch. Allen Erstaufnahmeeinrichtungen wird darüber hinaus in jedem Programmjahr eine Lese- und Medienbox für die pädagogische Arbeit mit Kindern bis zwölf Jahren zur Verfügung gestellt. Gefördert wird auch das Engagement von Vorlesepaten. Stephanie Lange von der Stiftung Lesen sagte, das Programm helfe Kindern und Familien, "sich spielerisch mit der neuen Umgebung und Sprache auseinanderzusetzen".



Schleswig-Holstein

Zahl der Plätze in Erstaufnahmeeinrichtungen reduziert



Die Kapazitäten der Erstaufnahmeeinrichtungen und Landesunterkünfte für Flüchtlinge in Schleswig-Holstein werden reduziert. Das gab Innenminister Stefan Studt (SPD) am 12. Juli in Kiel bekannt. Die Flüchtlingszahlen seien weiter rückläufig, die Auslastung der Einrichtungen sei gering, sagte er. Die Gesellschaft erwarte zu Recht einen verantwortungsvollen und ausgewogenen Umgang mit Ressourcen. "Das Land Schleswig-Holstein wird die Strukturen der Erstaufnahme daher flexibel an die Gegebenheiten anpassen", sagte Studt.

Der Innenminister sagte zu, bei der Auflösung von Standorten die sozialen Belange der Mitarbeiter zu berücksichtigen. Details und genaue zeitliche Abwicklung sollen "in enger Abstimmung mit den Personalvertretungen" erfolgen.

Im ersten Halbjahr 2016 wurden rund 6.500 Flüchtlinge in Schleswig-Holstein aufgenommen. Die zugangsstärksten Herkunftsländer waren Syrien, der Irak und Afghanistan. Der Anteil der Personen aus sicheren Herkunftsländern betrug 2,28 Prozent. 59 Prozent der Flüchtlinge stammen aus Ländern mit einer guten Bleibeperspektive.



Bayern

Städtetag fordert Finanzhilfen für Flüchtlingsintegration



Der bayerische Städtetag hat von Bund und Freistaat mehr Unterstützung bei der Integration von Flüchtlingen gefordert. "Bund und Länder dürfen sich ihrer Verantwortung nicht entziehen", sagte der Vorsitzende des Städtetags, der Nürnberger Oberbürgermeister Ulrich Maly (SPD), bei der Jahresversammlung des Städtetages am 13. Juli in Memmingen. Dies gelte insbesondere bei den finanziellen Mehrbelastungen für die Kommunen durch die Zuwanderung: "Es darf keine kalte Kommunalisierung von Integrationskosten geben", betonte Maly. Um Zuwanderer schneller in den Arbeitsmarkt zu integrieren, sei es außerdem notwendig, die Dauer der Anerkennungsverfahren für im Ausland erworbene Qualifikationen zu verkürzen.

In einer Resolution fordern die rund 270 Vertreter der bayerischen Städte und Gemeinden eine "schnelle, finanzielle Entlastung der kommunalen Ebene". Die gelte insbesondere für die Bereiche Schule, berufliche Ausbildung, Wohnungsbau und bei der Förderung ehrenamtlicher Arbeit. Außerdem forderte der Städtetag Hilfe von Bund und Freistaat beim Bau bezahlbarer Wohnungen ein.



Niedersachsen

Landkreistag begrüßt Wohnsitzauflage für Flüchtlinge



Der Niedersächsische Landkreistag begrüßt die im neuen Integrationsgesetz vorgesehene Wohnsitzauflage für Flüchtlinge. "Wir sehen das generell positiv", sagte der Hauptgeschäftsführer des Landkreistages, Hubert Meyer, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Mit der Auflage werde eine Ghettobildung vor allem in großen Städten vermieden. Sie trage zur Integration der zugewanderten Menschen bei. "Allerdings muss sie rechtlich so gestaltet werden, dass sie auch umsetzbar ist."

Das am 7. Juli vom Bundestag beschlossene Integrationsgesetz erlaubt es den Ländern, auch für anerkannte Flüchtlinge Regeln zur Wahl des Wohnsitzes zu erlassen, wie sie bislang nur für Asylsuchende im Verfahren gelten. Den Ländern soll dabei freigestellt werden, ob sie konkrete Wohnorte vorschreiben oder umgekehrt den Umzug in bestimmte Städte oder Regionen verbieten.

Meyer sagte: "Wir brauchen dieses Instrument, um zu wissen, um wie viele Menschen wir uns in den jeweiligen Regionen kümmern müssen." Dabei gehe es etwa darum, genügend Sprachkurse oder Angebote zur Berufsqualifizierung anbieten zu können. Der Hauptgeschäftsführer sieht in der Umsetzung der Wohnsitzauflage aber noch Herausforderungen. Dort, wo es viele Arbeitsplätze gebe, sei der Wohnraum knapp und umgekehrt: "Insofern beißt sich da was."

Viele Flüchtlinge brächten aus ihren Heimatländern die Erfahrung mit, dass sie in größeren Städten leichter Arbeit finden. Dies sei aber in Deutschland nicht überall der Fall. Die Wohnsitzauflage dürfe allerdings auch nicht dazu genutzt werden, Flüchtlinge umzusiedeln, um so die Überalterung und Entvölkerung ländlicher Regionen zu stoppen.

Es sei zentral, gerade in Ballungsgebieten mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, betonte Meyer. "Da haben wir in weiten Teilen des Landes großen Nachholbedarf." Dabei spreche sich der Landkreistag dagegen aus, spezielle Wohnungen für Flüchtlinge zu bauen. "Wir brauchen für alle bezahlbaren Wohnraum, dort wo dieser knapp ist."



Kommunen

LVR zahlt 2,7 Milliarden Euro für behinderte Menschen



Der Landschaftsverband Rheinland (LVR) hat im Haushaltsjahr 2015 die Städte und Kreise in seinem Bereich mit knapp 4,1 Milliarden Euro unterstützt. Zwei Drittel der Leistungen kamen Menschen mit Behinderungen zugute, wie der LVR am 8. Juli in Köln mitteilte. Ingesamt rund 2,7 Milliarden Euro wurden für die Sozialhilfeleistungen der behinderten Menschen sowie für die Förderschulen, die Kriegsopferfürsorge und Hilfen für schwerbehinderte Menschen im Beruf gezahlt.

Weitere 8,33 Millionen Euro flossen den Angaben zufolge in den Bereich Kulturpflege. Von den 4,1 Milliarden Euro waren 2,55 Milliarden Euro Eigenmittel des LVR, rund 1,53 Milliarden Euro stammten aus Bundes- und Landesmitteln sowie aus der Ausgleichsabgabe, die Unternehmen zahlen müssen, die nicht die gesetzlich vorgeschriebene Zahl von schwerbehinderten Mitarbeitern beschäftigen.

Die Kommunen im Rheinland zahlten im vergangenen Jahr knapp 2,5 Milliarden Euro als Landschaftsumlage an den LVR. Der LVR übernimmt als regionaler Kommunalverband Aufgaben in den Bereichen Soziales, Gesundheit, Schulen, Jugend sowie Kultur und Umwelt. Diese werden finanziert aus der Umlage der 26 Mitgliedskörperschaften sowie aus Bundes- und Landesmitteln. Die Arbeit des LVR wird politisch gestaltet und kontrolliert von der Landschaftsversammlung Rheinland, in der Politiker aus Stadträten, Kreistagen und dem Städte-Regionstag vertreten sind.



Statistik

Mehr Schwerbehinderte in Thüringen



Die Zahl der Thüringer mit Schwerbehindertenausweis ist erneut gestiegen. Wie das Landesamt für Statistik am 12. Juli in Erfurt mitteilte, wurden Ende 2015 insgesamt 202.536 Thüringer mit Schwerbehindertenausweis gezählt. Das waren 2.462 Personen oder 1,2 Prozent mehr als bei der letzten Erhebung zwei Jahre zuvor. Wie schon Ende 2013 lag damit der Anteil der schwerbehinderten Menschen an der Bevölkerung bei etwas mehr als neun Prozent.

Wie aus den Angaben weiter hervorgeht, waren mehr als die Hälfte (50,3 Prozent) der schwerbehinderten Thüringer älter als 65 Jahre. Weitere 37,6 Prozent waren zwischen 45 und 65 Jahre alt. Jeder Zehnte war volljährig, hatte das 45. Lebensjahr aber noch nicht vollendet. 2,1 Prozent der von Schwerbehinderung Betroffenen waren Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren.

Häufigste Ursache einer Behinderung (78,4 Prozent) war eine Krankheit. Bei 5,1 Prozent der Betroffenen war die Behinderung angeboren. In zwei Prozent der Fälle wurde sie durch Unfälle einschließlich Berufskrankheiten verursacht.



Organspende

Bundestag verabschiedet Gesetz für Transplantationsregister



Der Bundestag am 7. Juli in Berlin das Gesetz zur Errichtung eines Transplantationsregisters verabschiedet. Das Gesetz bedarf nicht der Zustimmung des Bundesrates und wird im Herbst in Kraft treten.

Mit dem Transplantationsregister werden erstmals Daten von verstorbenen Organspendern, Organempfängern und Lebendspendern bundesweit zentral zusammengefasst und miteinander verknüpft. Das Gesetz sieht vor, auch Daten in anonymisierter Form zu nutzen, die bis zu zehn Jahre vor Inkrafttreten des Gesetzes erhoben wurden. Das Register soll langfristig unter anderem dazu beitragen, die Wartelistenkriterien sowie die Verteilung der Spenderorgane weiterzuentwickeln.

Für die Weitergabe von Patientendaten an das Transplantationsregister ist nach einer Mitteilung des Bundesgesundheitsministeriums vom 8. Juli die ausdrückliche Einwilligung der Organempfänger und der lebenden Organspender notwendig. Das Transplantationsregister werde unter der Aufsicht der Bundesbeauftragten für den Datenschutz stehen. Das Gesetz legt außerdem fest, dass die Selbstverwaltungspartner im Gesundheitswesen "geeignete Stellen" mit der Errichtung und dem Betrieb einer Transplantationsregisterstelle beauftragen.

Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) sieht das Transplantationsregister als einen "Schritt, das Vertrauen in die Organspende zu stärken".



Einkommen

Forscher fordert Zusammenarbeit bei Armutsbekämpfung



Der Armutsforscher Walter Hanesch fordert eine stärkere Zusammenarbeit von Bund, Ländern, Kommunen und Verbänden zur Bekämpfung von Armut. "Da hat sich bisher wenig getan", sagte der Wissenschaftler der Hochschule Darmstadt am 13. Juli bei einer Veranstaltung der saarländischen Arbeitskammer in Saarbrücken. "Armut ist mehr geworden." Und das, obwohl darüber mehr gesprochen werde, kritisierte er.

Armut betreffe nicht nur ein Politikressort, betonte Hanesch. Vielmehr sei Armutsbekämpfung eine Querschnittsaufgabe, an der sich alle Politikfelder beteiligen müssten. Hanesch sprach sich für themenspezifische Konferenzen nach der Veröffentlichung eines Armuts- und Reichtumsberichts etwa zu Alters-, Kinder- oder Bildungsarmut aus. Daran sollten nicht nur Geschäftsführer und Abteilungsleiter, sondern auch Fachkräfte vor Ort teilnehmen, die gemeinsam Maßnahmen erarbeiteten. Dieses Handlungsprogramm solle etwa für eine Legislaturperiode beschlossen, wissenschaftlich begleitet und evaluiert werden, betonte der Wissenschaftler.

Im vergangenen Oktober hatte das Saarland einen eigenen Armutsbericht veröffentlicht. Danach waren 2013 insgesamt 15,9 Prozent der Saarländer armutsgefährdet. Bis zum Herbst soll laut Guido Fries vom saarländischen Sozialministerium das Aktionsprogramm zur Armutsbekämpfung evaluiert und danach überarbeitet werden.



Umfrage

Hamburger Jugendliche konsumieren weniger Suchtmittel



Die Zahl der Jugendlichen, die zu Alkohol, Tabak oder Cannabis greifen, ist in Hamburg zurückgegangen. Bei der Nutzung von Glücksspielen, Computerspielen und beim problematischen Internetgebrauch ist hingegen ein Anstieg zu verzeichnen. Das ist das Ergebnis von Schüler- und Lehrerbefragungen zum Umgang mit Suchtmitteln aus dem Jahr 2015, das am 12. Juli veröffentlicht wurde. Befragt wurden 1.090 Jugendliche im Alter von 14 bis 17 Jahren.

"Das höhere Einstiegsalter und der anhaltende Rückgang des Konsums von Alkohol und Tabak sind gute Nachrichten", sagte Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD). Auch der Anteil der kiffenden Jugendlichen sei rückläufig. "Wir werden deshalb nicht nachlassen, auf die Schädlichkeit von Cannabis hinzuweisen", sagte sie. Der Anstieg beim Glücksspiel und bei der Internetnutzung zeige, wie wichtig aktuelle Daten und eine zielgruppenspezifische Prävention sind. Glückspiel sei ein Problem, das ganz überwiegend Jungen betrifft. Bei Mädchen nehme die problematische Nutzung Sozialer Netzwerke zu.

Beim Thema Alkohol ist das Alter der Jugendlichen, die ihn erstmals konsumieren, weiter angestiegen. Im Vergleich zu den Vorjahren greifen weniger 14- bis 15-Jährige zum Alkohol. Beim sogenannten "Binge-Drinking" (Genuss von fünf oder mehr Gläsern) gibt ein Fünftel der Jugendlichen an, dies mindestens einmal monatlich zu betreiben. 2012 war es noch ein Drittel der Jugendlichen.

Beim Thema Tabak ließen sich den Angaben zufolge die positivsten Veränderungen im Konsumverhalten registrieren. Waren es Mitte der 2000er Jahre noch 70 Prozent der 14- bis 17-Jährigen, die mindestens einmal in ihrem Leben geraucht haben, so bejahen 2015 nur noch 35 Prozent diese Erfahrung. Elf Prozent der 16- bis 17-Jährigen gaben 2015 an, regelmäßig zu rauchen, 2004 waren es hingegen noch 24 Prozent.



Saarland

Zusätzliche Betreuungskräfte für berufliche Schulen



Für die soziale Betreuung und Begleitung von Berufsschülerinnen und -schülern in Berufsbildungszentren und in Praktikumsbetrieben im Saarland werden im kommenden Schuljahr 13 zusätzliche Fachkräfte eingestellt. Aus dem Etat des Wirtschaftsministeriums werden dafür 650.000 Euro zur Verfügung gestellt, wie Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger und Bildungsminister Ulrich Commerçon (beide SPD) am 11. Juli in Saarbrücken mitteilten. Mit den zusätzlichen Kräften reagiere die Landesregierung auf einen gestiegenen Bedarf und sichere das bisherige Niveau der sozialen Betreuung und Begleitung im Übergangsbereich der beruflichen Schulen, hieß es.

Seit Beginn des Schuljahres 2014/2015 kümmern sich im Saarland 35 sozialpädagogische Fachkräfte um rund 1.700 Jugendliche in den Schulformen des Berufsvorbereitungs- und Berufsgrundbildungsjahres. Mit dem Anstieg der Zuwanderung stieg auch die Schülerzahl in diesem Bereich auf 2.500, darunter sind etwa 800 junge Flüchtlinge. Gerade deren Betreuung sei "dringend notwendig, da sie durch Fluchterlebnisse oft traumatisiert sind", sagte Rehlinger. "Sie sollen bei uns Fuß fassen und sich ein neues Leben mit einem vernünftigen Beruf erarbeiten können."



Statistik

Erheblich mehr Kindeswohlgefährdungen in Berlin



Die Berliner Jugendämter haben im vergangenen Jahr 14.441 Verfahren wegen Kindeswohlgefährdung eingeleitet. Gegenüber dem Vorjahr mit damals 11.772 Verfahren sei das eine Steigerung um 22,7 Prozent, teilte das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg am 12. Juli in Potsdam mit. Als akut gefährdet stuften die Behörden 2015 dabei 3.450 Kinder und Jugendliche (23,9 Prozent) ein. In diesen Fällen war eine erhebliche Schädigung des körperlichen, geistigen oder seelischen Wohls des Kindes oder Jugendlichen bereits eingetreten oder mit ziemlicher Sicherheit zu erwarten.

In etwa 30 Prozent der Fälle (4.389) lag den Angaben zufolge eine latente Kindeswohlgefährdung vor. Bei rund 25 Prozent der Kinder und Jugendlichen (3.626) wurde zwar keine Gefährdung ermittelt, es bestand jedoch Hilfebedarf. In knapp 21 Prozent der Fälle (2.976) konnten die Jugendämter keine Kindeswohlgefährdung feststellen.

In den meisten Fällen (62,5 Prozent) der Kindeswohlgefährdungen ging es um Vernachlässigung. 19,4 Prozent betrafen körperliche und etwa 30 Prozent psychische Misshandlungen. In 3,5 Prozent der Fälle mussten Verfahren wegen sexueller Gewalt eingeleitet werden.

Aufmerksam gemacht wurden die Jugendämter häufig durch Verwandte, Bekannte und Nachbarn (11,7 Prozent) oder anonym (sieben Prozent). Über Polizei, Gericht und Staatsanwaltschaft wurden 28 Prozent der Verfahren initiiert. In 16,8 Prozent der Fälle schlugen die Kita, die Tagesmutter oder die Schule Alarm. Knapp zehn Prozent der Verfahren wurden von den Kindern und Jugendlichen oder durch Eltern und Erziehungsberechtigte selbst angestoßen. Ärzte, Gesundheitsämter oder Hebammen informierten die Behörden in 5,3 Prozent der Fälle.

763 Kinder oder Jugendliche wurden den Angaben zufolge im Rahmen der vorläufigen Schutzmaßnahmen in Obhut genommen. In 820 Fällen musste das Familiengericht angerufen werden.




sozial-Branche

Telefonseelsorge

"Man muss etwas vom Leben verstehen"




Ehrenamtliche Mitarbeiterin im Beratungssgespräch bei der Telefonseelsorge.
epd-bild / Werner Krüper
Seit 60 Jahren haben die Ehrenamtlichen der Telefonseelsorge rund um die Uhr ein offenes Ohr: für alle, die Kummer haben, verzweifelt sind oder einfach dringend jemanden zum Zuhören brauchen.

Wenn das Telefon klingelt und er den Hörer abnimmt, dann legen die Anrufer immer gleich los. "Sie stellen sich nie vor", sagt Jochem H., der ehrenamtlich für die Katholische TelefonSeelsorge in Köln arbeitet. "Ich lasse sie dann erst mal reden, bis ich schließlich gezielt nachfrage: 'Was hat Sie denn nun zum Hörer greifen lassen?'" Die Nachfrage ist groß. Kaum hat der 64-Jährige ein Gespräch beendet, da ist bereits das nächste in der Leitung. "Und es gibt viele, die gar nicht durchkommen", sagt der Rentner. Er und seine Kölner Teamkollegen führen um die 20.000 Gespräche im Jahr.

7.500 ehrenamtliche Mitarbeiter

Vor 60 Jahren entstand die erste Anlaufstelle in Deutschland, gegründet von dem Arzt und Theologen Klaus Thomas: Am 6. Oktober 1956 wurde die Telefonseelsorge Berlin als unabhängiger und gemeinnütziger Verein gegründet.

Mittlerweile gibt es 105 örtliche Stellen der Telefonseelsorge und rund 7.500 ehrenamtliche Mitarbeiter. "Ängste, seelische und körperliche Einschränkungen und Beziehungsfragen sind die häufigsten Themen der Gespräche", sagt Ruth Belzner, die Vorsitzende der Evangelischen Konferenz für Telefonseelsorge. Einige Anrufer sind akut suizidgefährdet. "Für Menschen in Krisensituationen verliert das Leben seine Orientierungskraft und Bedeutsamkeit", so beschreibt es Pfarrer Frank Ertel, der die ökumenische Telefonseelsorge in Aachen leitet.

Solche Anrufe seien für ihn die schwierigsten, sagt auch Telefonseelsorger Jochem H., der jeden Monat drei Schichten übernimmt, eine davon nachts. "Da muss man dann sehr präsent sein und gleichzeitig aufpassen, dass man nicht zu viel auf sich selbst projiziert."

"Rufen Sie mich an"

Die erste organisierte Telefonseelsorge entstand 1953 in einem anglikanischen Pfarrhaus in London: Der junge Pfarrer Chad Varah hatte gerade eine 14-Jährige beerdigt, die Suizid begangen hatte, weil sie ihre einsetzende Periode für eine Geschlechtskrankheit gehalten hatte. Später sagte Varah dazu: "Kleines Mädchen, ich kannte dich nicht, aber du hast mein Leben für immer verändert."

Er begann, Annoncen mit der Telefonnummer seiner Kirche in Londoner Zeitungen aufzugeben: "Bevor Sie sich umbringen, rufen Sie mich an." Schon bald konnte Varah den Ansturm von Anrufern nicht mehr allein bewältigen, so dass er freiwillige Helfer dazu holte. Seine Organisation "The Samaritans" hat heute mehr als 200 Niederlassungen in Großbritannien und Irland mit rund 20.000 Ehrenamtlichen.

Die Telefonseelsorge Deutschland ist Mitglied im europäischen Dachverband, der sich "International Federation of Telephone Emergency Services", kurz: IFOTES, nennt und 1967 gegründet wurde. "Mehr als 420 Telefonseelsorge-Stellen mit rund 25.000 Freiwilligen sind innerhalb von IFOTES engagiert", sagt Präsident Stefan Schumacher. Zusammen nehmen sie fast fünf Millionen Anrufe im Jahr entgegen. Im Abstand von drei Jahren werden internationale Kongresse veranstaltet. Der diesjährige findet vom 19. bis 22. Juli in Aachen statt.

Beratungen auch im Online-Chat

In Deutschland wird die überwiegende Mehrheit der Einrichtungen von den beiden großen Kirchen geführt und finanziert. "Dabei arbeiten wir heute mit völlig anderen Voraussetzungen als früher", sagt Michael Hillenkamp, der Sprecher der katholischen Konferenz für Telefonseelsorge. Beratungen gibt es mittlerweile auch per Mail und im Online-Chat.

Bevor Ehrenamtliche ihre Arbeit am Telefon aufnehmen, absolvieren sie eine einjährige Ausbildung. In etwa 150 Unterrichtsstunden werden sie in Bereichen wie Selbsterfahrung, Gesprächsführung und Zuhörstrategien geschult. "Etwa 80 Prozent von ihnen sind Frauen", sagt Hillenkamp. "Viele haben selbst irgendwann eine Krise überwunden. Das ist für ihre Arbeit eine sehr nützliche Erfahrung - sie verstehen etwas vom Leben."

Auch Jochem H. hat diese Ausbildung durchlaufen. "Während der praktischen Phase haben wir uns zunächst neben einen erfahrenen Kollegen gesetzt und zugehört, wie er das macht", erzählt er. "Dann haben wir die Gespräche geführt, und der Kollege saß dabei und hat uns anschließend Feedback gegeben."

Jochem H. war vor seiner Pensionierung als Personalchef in einem Unternehmen tätig und hatte bereits viel Erfahrung als Gesprächscoach. "Nun mache ich das natürlich in einem ganz anderen Kontext, und das finde ich persönlich sehr bereichernd." Mit der Telefonseelsorge habe er etwas gefunden, "was mir Sinn gibt und den Anrufern auch."

Barbara Driessen


Telefonseelsorge

Jährlich 1,6 Millionen Gespräche



Die Telefonseelsorge ist unter den Nummern 0800/1110111 und 0800/1110222 rund um die Uhr kostenfrei und anonym erreichbar. Unter dem Motto "Sorgen kann man teilen" werden hier jährlich rund 1,8 Millionen Gespräche geführt. An 105 Stellen bundesweit stehen etwa 7.500 geschulte, ehrenamtliche Mitarbeiter mit vielseitigen Lebens- und Berufskompetenzen Ratsuchenden zur Seite. Sie unterliegen einer Schweigepflicht.

Die Rufnummer des Anrufers erscheint nicht auf dem Display, das Gespräch mit der Telefonseelsorge wird nicht auf dem Einzelverbindungsnachweis der Telefonrechnung aufgeführt. Die Deutsche Telekom trägt die Gebühren für die unter den beiden Sondernummern geführten Gespräche. Die Telefonseelsorge ist auch per Chat und E-Mail über www.telefonseelsorge.de erreichbar.

Die Telefonseelsorge in Deutschland wurde 1956 in Berlin von Klaus Thomas begründet, einem Arzt und Theologen. Die Organisation nannte sich zunächst "Ärztliche Lebensmüdenbetreuung". Es sind bei weitem nicht nur Suizidgedanken, die Ratsuchende die Nummer der Telefonseelsorge anrufen lassen. Auch über Probleme in der Beziehung, Mobbing in der Schule oder am Arbeitsplatz, Arbeitsplatzverlust, Sucht, Krankheit, Einsamkeit, Sinnkrisen oder spirituelle Fragen wird häufig gesprochen.

In Deutschland ist der Name "TelefonSeelsorge" seit 1999 markenrechtlich geschützt. Inhaber der Marke sind die Evangelische Konferenz für Telefonseelsorge und Offene Tür e.V. (Berlin) und die Katholische Bundesarbeitsgemeinschaft für Beratung e.V. (Bonn). Die Telefonseelsorge will für jeden da sein, natürlich auch für Menschen ohne Kirchenzugehörigkeit.



Armut

Gastbeitrag

"Bildungs- und Teilhabepaket hält nicht, was es verspricht"




Heinz Hilgers
epd-bild / Deutscher Kinderschutzbund
Kritik am Bildungs- und Teilhabepaket für Kinder in Hartz-IV-Familien gibt es seit dessen Einführung vor fünf Jahren. Bestehende Defizite seien noch immer nicht behoben, moniert Heinz Hilgers, Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes. Welche Reformen nötig wären und wie ein Systemwechsel aussehen könnte, beschreibt er in seinem Gastbeitrag für epd sozial.

Das Bildungs- und Teilhabepaket ist fünf Jahre nach seiner Einführung als gescheitert anzusehen, denn es hält nicht, was es verspricht: Die Defizite in der Förderung von Kindern und Jugendlichen sind nicht behoben. Die Leistungen erreichen zu viele Kinder nicht, das Paket ist bürokratisch und hat vorher bestehende Angebote zum Teil abgebaut. Was wir brauchen, ist ein Systemwechsel in der Kinder- und Familienförderung.

Ausschluss von Lebenschancen

Zunächst der Blick zurück: Das Bundesverfassungsgericht hat am 9. Februar 2010 das bis dahin bestehende Verfahren der Regelsatzbemessung für verfassungswidrig erklärt. Im Hinblick auf den kinderspezifischen Bedarf konstatierte das Gericht einen "völligen Ermittlungsausfall" und machte deutlich, dass insbesondere bei Kindern im schulpflichtigen Alter ein zusätzlicher Bedarf zu erwarten sei. Ohne Deckung der Kosten, die für hilfebedürftige schulpflichtige Kinder entstünden, so hielt das Gericht fest, drohe diesen der Ausschluss von Lebenschancen.

Fünf Jahre später ist klar: Die Einführung des Gesetzes zum 1. April 2011 hat die beanstandeten Defizite in der Förderung von Kindern und Jugendlichen aus einkommensarmen Haushalten nicht behoben.

Im Bildungs- und Teilhabepaket wurden bereits vorher bestehende Leistungen mit einzelnen neuen Leistungen kombiniert und unter neuem Namen zusammengefasst. Gleichzeitig wurden die bestehenden Regelbedarfe für Schulkinder unter Verweis auf das "neue" Gesetz gekürzt. Es umfasst folgende Leistungskomponenten: Zuschuss zum persönlichen Schulbedarf in Höhe von 100 Euro jährlich, Zuschuss zu gemeinsamer Mittagsverpflegung in Schulen und Tageseinrichtungen, Erstattung von Schülerbeförderungskosten, Finanzierung von Lernförderung, mehrtägigen Klassenfahrten und eintägigen Ausflügen sowie die Förderung der Teilhabe durch Erstattung (beispielsweise von Vereinsbeiträgen) von bis zu zehn Euro im Monat.

Von staatlichen Leistungen abhängig

Fünf Jahre nach Einführung der Regelungen ziehen wir eine kritische Bilanz. In seiner Resolution zur Einführung des Pakets hat unser Verband bereits 2012 auf bestehende Probleme hingewiesen. Die Kritik ist weiterhin hochaktuell. Nach wie vor ist die Kinderarmut in Deutschland anhaltend hoch.

Laut dem gerade veröffentlichten Abschlussbericht zur Evaluation der bundesweiten Inanspruchnahme und Umsetzung der Leistung für Bildung und Teilhabe des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales hatten im Jahr 2013 rund 3,1 Millionen Kinder und Jugendliche unter 25 Jahren grundsätzlich einen Anspruch auf das Bildungs- und Teilhabepaket - waren also abhängig von staatlichen Leistungen.

Das Bildungs- und Teilhabepaket hat weder grundsätzliche Verbesserungen noch mehr Teilhabegerechtigkeit herbeiführen können, vielmehr besteht auch weiterhin ein enger Zusammenhang zwischen Erfolg und Wohlbefinden auf der einen und dem Familieneinkommen auf der anderen Seite. Eine Kindheit in Armut führt auch weiterhin mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Armut in der Jugendzeit sowie im Erwachsenen- und Rentenalter.

Faktisch schlechter gestellt

Die Leistungen sind restriktiv gestaltet und wurden seit dem Jahr 2011 nicht erhöht, obwohl sie schon damals zum Teil zu niedrig waren. Deutlich wird das insbesondere am Schulbedarfspaket. Es beinhaltet einheitlich pro Schuljahr 70 Euro zum Schuljahresbeginn und 30 Euro zu Beginn des zweiten Halbjahres. Gegenüber der vorigen Auszahlung mit dem Regelbedarf stellt das Schulbedarfspaket die Kinder sogar faktisch schlechter, weil die zuvor gewährten Leistungen gestrichen wurden.

Der Deutsche Kinderschutzbund hat gemeinsam mit dem Paritätischen Wohlfahrtsverband auf der Grundlage von Informationsblättern von Schulen zusammengestellt, was zum Schuljahresbeginn typischerweise von den Eltern angeschafft werden muss. Im Ergebnis kostet eine Schulerstausstattung weit mehr als 200 Euro.

Mit Einführung des Bildungs- und Teilhabepakets wurde der Anteil für Bildung und Teilhabe im Regelsatz gekürzt, weil ein Teil der Bedarfe nun über das Bildungs- und Teilhabepaket geleistet wird. Der vormals im Regelsatz pauschalierte und damit automatisch ausbezahlte Anteil für Bildung und Teilhabe ist nun abhängig von einer aktiven Antragstellung sowie der Angebotsstruktur vor Ort. Mit anderen Worten: Statt unbürokratisch Teilhabechancen zu eröffnen, wurden neue Zugangshürden geschaffen.

Enormer Verwaltungsaufwand

Die Leistungen für Bildung und Teilhabe werden auch deshalb von einem Großteil der Berechtigten gar nicht in Anspruch genommen. Gerade einmal 57 Prozent aller leistungsberechtigten Kinder und Jugendlichen beantragten im Jahr 2014 mindestens eine Bildungs- und Teilhabeleistung, wie das Bundessozialministerium in seinem Abschlussbericht festhält.

Das Bildungs- und Teilhabepaket ist als antragsabhängige Sach- beziehungsweise Dienstleistung konzipiert. Das produziert einen enormen Verwaltungsaufwand für alle Beteiligten. Ob für den Ausflug ins Puppentheater für sieben Euro oder die Abschlussfahrt der Schulklasse für 450 Euro: Es müssen Unterschriften eingeholt, Belege eingereicht, fehlende Unterlagen angefordert und Kopien gemacht werden. Das erhöht nicht nur die Hürden der Inanspruchnahme, sondern produziert auch Kosten.

Allein den Kommunen entstehen jährliche Verwaltungskosten in Höhe von 136 Millionen Euro. Addiert man die Verwaltungskosten von Leistungsberechtigten, Leistungsanbietern sowie Kita- und Schulverwaltungen dazu, entstehen Bürokratiekosten von mehr als 194,8 Millionen Euro jährlich für die Abwicklung des Teilhabepaketes - bei gerade mal laut Ministerium 531 Millionen Euro insgesamt verausgabten Mitteln.

Anspruch auf Existenzsicherung

Anstelle einer niedrigschwelligen, unbürokratischen Förderung wurde mit dem Bildungs- und Teilhabepaket eine neue Leistung etabliert, die die Kinder und Jugendlichen nicht erreicht. Das Bildungs- und Teilhabepaket hat sich auch fünf Jahre nach seiner Einführung nicht als Hebel zur Herstellung von Chancengerechtigkeit herausgestellt.

Jedes Kind hat einen verfassungsrechtlichen Anspruch auf die Sicherung seiner Existenz. Dazu gehören auch diejenigen materiellen Voraussetzungen, die für ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben unerlässlich sind. Die staatliche Gemeinschaft muss ein bedarfsgerechtes Kinderexistenzminimum mit einer unbürokratischen, einheitlichen und niedrigschwelligen Geldleistung, einer Kindergrundsicherung, gewährleisten.

Das kindliche Existenzminimum muss dafür sach- und bedarfsgerecht neu ermittelt werden. Bedarfe dürfen nicht weiterhin "ins Blaue hinein" geschätzt werden. Daneben müssen unregelmäßige oder untypische, über einen längeren Zeitraum anfallende Bedarfe als Mehrbedarfe anerkannt werden.

Stärkung der kommunalen Verantwortung

Die Bereitstellung von Angeboten und Leistungen der Bildung und Teilhabe muss wieder dort erfolgen, wo sie hingehört: in kommunaler Verantwortung. Es bedarf dafür ausreichender finanzieller Ressourcen, um die kommunalen Aufgaben im Rahmen der individuellen Förderleistungen der Kinder- und Jugendhilfe zu erfüllen. Dazu gehört die abgestimmte und geplante bedarfsgerechte finanzielle Ausstattung der Sport-, Musik- und Kulturvereine sowie der kommunalen Freizeit- und Lernorte.

Dazu kann die Einführung eines individuell einklagbaren Rechtsanspruchs auf Leistungen nach Paragraf 11 SGB VIII beitragen. Darüber hinaus muss das Kooperationsverbot im Bildungsbereich abgeschafft werden, um so die Schulen finanziell besser ausstatten zu können. Nur so kann ausreichend in die Förderung von benachteiligten Kindern und Jugendlichen investiert werden.

Heinz Hilgers ist Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes.


Kriminalität

Oldenburger Klinik-Chef will weiter Mordserie aufklären



Auch 14 Jahre nach der Mordserie an Patienten durch den Krankenpfleger Niels H. ist das Klinikum Oldenburg nach eigenen Angaben weiter um Aufklärung bemüht.

Seit Bekanntwerden der Morde vor zwei Jahren werde daran intensiv gearbeitet. "Das sind wir den Patienten und ihren Angehörigen schuldig", sagte der Vorstand des Klinikums, Dirk Tenzer, dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Wir sind mit der Aufarbeitung noch nicht fertig."

Vermutlich 33 Menschen getötet

Niels H. hatte von 1999 bis 2002 in Oldenburg gearbeitet und in dieser Zeit laut Tenzer vermutlich 16 Menschen getötet. Anschließend wechselte H. an das Krankenhaus Delmenhorst und mordete dort weiter. In beiden Häusern spritzte der Pfleger Patienten ein für sie lebensbedrohliches Medikament, um bei einer geglückten Reanimation als Held dastehen zu können. Er wurde 2015 wegen mehrfachen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt weiter und spricht inzwischen von insgesamt mindestens 33 Morden.

Die Patientensicherheit werde ständig verbessert, unterstrich Tenzer. Umfangreiche Sicherheitssysteme seien eingerichtet worden. Dazu gehöre etwa, dass Medikamenten-Ampullen in unterschiedlichen Farben markiert werden, um Verwechslungen auszuschließen. Wann immer es beinahe zu einem Unfall im Klinikalltag gekommen ist, etwa weil eine Krankenschwester versehentlich fast ein falsches Medikament verabreicht hätte, müsse der Vorfall gemeldet und analysiert werden.

Um Schwachstellen aufzudecken, sei das "Whistleblower-System" eines der wichtigsten Werkzeuge, sagte Tenzer. Wer das Verhalten eines Kollegen merkwürdig finde, könne dies anonym über ein geschütztes Formular im Internet melden. Dabei erhalte der Informant einen Code, über den Nachfragen gestellt und von jedem Computer in der Welt beantwortet werden könnten. "Der Hinweisgeber bleibt anonym, und trotzdem können wichtige Informationen im Pingpong-Verfahren ausgetauscht werden", erklärte Tenzer.

Belastender Generalverdacht

Für die Mitarbeiter des Klinikums sei es belastend, dass sie immer wieder auf die Morde angesprochen werden, sagte Tenzer, der das Klinikum seit 2013 leitet: "Es kann nicht sein, dass die ganze Gesundheitsbranche unter Generalverdacht gestellt wird." Bundesweit arbeiteten rund eine Million Menschen in Krankenhäusern und Pflegeheimen. "Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter setzen sich mit hohem persönlichen Engagement jeden Tag und zu jeder Uhrzeit für ihre Patienten ein und sind sicher nicht alle Mörder", sagte der Klinik-Chef.

Es habe damals Hinweise gegeben, dass H. den Patienten schade. "Doch wurden daraus nicht die richtigen Schlüsse gezogen", sagt Tenzer. Mit dem Wissen von heute sei das falsch gewesen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt inzwischen gegen damals Verantwortliche wegen des Verdachts auf Totschlag durch Unterlassung. Auf die Frage, ob seiner Einschätzung nach die Verantwortlichen hätten anders handeln müssen, sagte Tenzer: "Das können wir heute noch nicht abschließend beurteilen."

Jörg Nielsen


Psychologe

"Online-Trainings können Gesundheitsvorsorge verbessern"



Trainingsprogramme im Internet können nach Auffassung des Lüneburger Psychologen Dirk Lehr Menschen mit psychischen Problemen helfen. Die Programme mit regelmäßigen Übungseinheiten unterstützten die Betroffenen dabei, ihre Beschwerden zu bewältigen, sagte der Professor der Leuphana Universität Lüneburg im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die Universität hat solche Programme unter anderem gegen Schlafstörungen, Stress oder Probleme mit Alkohol entwickelt. Sie enthalten Video-Clips, Texte und Aufgaben, die Teilnehmer im Alltag umsetzen können. Gesundheitsexperten wie Psychologen oder Psychotherapeuten beraten laut Lehr die Teilnehmer zusätzlich und individuell per E-Mail.

Die Wirksamkeit der Online-Programme hätten die Forscher seit 2010 bereits in mehreren Studien nachgewiesen, sagte Lehr. So könne das Risiko, an einer Depression zu erkranken, mit Online-Trainings reduziert werden. Das hätten die Lüneburger Wissenschaftler zusammen mit Kollegen der Universität Nürnberg-Erlangen und aus Amsterdam erforscht. Dafür untersuchten sie 406 Personen mit ersten depressiven Beschwerden. Ein Jahr nach den sechs Übungseinheiten seien 27 Prozent der Teilnehmer an einer Depression erkrankt. In der Vergleichsgruppe, die sich mit Broschüren und anderem Info-Material geschult hatte, seien es mit 41 Prozent deutlich mehr gewesen.

Die Abbrecherquote bei den Online-Kursen sei erstaunlich gering, sagte Lehr. "Wer Beschwerden hat, ist auch motiviert, dranzubleiben." Zwischen 70 und 95 Prozent der Teilnehmer absolvierten das komplette Programm, vor allem, wenn es eine persönliche Begleitung gebe. Hilfreich sei dabei der überschaubare Zeitraum. Zudem könnten die Patienten das Training flexibel in ihren Tagesablauf einbauen und hätten keine weiten Anfahrtswege.

In anderen Ländern wie den Niederlanden oder Schweden sei die Vorsorge im Netz bereits fester Bestandteil des Gesundheitssystems, sagte der Psychotherapeut. In Deutschland fehlten dazu allerdings noch die rechtlichen Rahmenbedingungen. Das im vergangenen Jahr verabschiedete Präventionsgesetz eröffne zwar die Chance, Online-Angebote im Gesundheitsbereich für viele Menschen zugänglich zu machen. Psychotherapeuten dürften bei der Therapie bislang aber nur in Ausnahmefall elektronische Kommunikationsmittel einsetzen. "Wir brauchen eine größere Rechtssicherheit, damit solche Angebote auch außerhalb der Forschung angeboten werden können."

Katharina Hamel


Gesundheit

Krebshilfe fördert sieben Uni-Einrichtungen als Spitzenzentren



Sieben Hochschuleinrichtungen erhalten wegen ihrer vorbildlichen Behandlung von Krebspatienten eine Förderung durch die Deutsche Krebshilfe. Die Einrichtungen in Mainz, Frankfurt am Main, Berlin, Essen, Freiburg, Hamburg und Tübingen/Stuttgart werden nach den Empfehlungen einer internationalen Gutachterkommission als Onkologische Spitzenzentren gefördert, wie die Krebshilfe am 7. Juli in Bonn mitteilte. Sie erhalten über einen Zeitraum von vier Jahren jährlich jeweils 750.000 Euro, anschließend müssen sie sich erneut um die Förderung bewerben.

Derzeit gibt es damit in Deutschland 13 Spitzenzentren dieser Art. "Bei unserer Förderinitiative ist uns auch die enge Zusammenarbeit und Vernetzung der Onkologischen Spitzenzentren mit den Krankenhäusern und niedergelassenen Ärzten in der jeweiligen Region sehr wichtig", sagte der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krebshilfe, Gerd Nettekoven.

Das Förderschwerpunktprogramm "Onkologische Spitzenzentren" hat die Krebshilfe im Jahr 2006 initiiert. Die Krebshilfe sieht die Onkologischen Spitzenzentren als Teil eines dreistufigen Programms, das die Organisation gemeinsam mit der Deutschen Krebsgesellschaft auf den Weg gebracht hat, um eine Neuorientierung in der Krebsmedizin einzuleiten.

In den Spitzenzentren sollen Krebspatienten auf höchstem medizinischen Niveau versorgt werden. Die Einrichtungen haben als universitäre Standorte überdies die Aufgabe, Versorgungsstrukturen fortzuentwickeln und die Krebsforschung voranzubringen. Die dabei erzielten Fortschritte sollen allen onkologischen Kliniken und Zentren des Landes zugänglich gemacht werden.



Sucht

Gedenktag für gestorbene Drogenabhängige



Der Bundesverband der Eltern und Angehörigen für akzeptierende Drogenarbeit erinnert am 21. Juli wieder mit einem Gedenktag in mehr als 60 Städten an verstorbene Drogenabhängige. Die zentrale Gedenkfeier findet in Wuppertal statt, wie der Verband am 13. Juli in Wuppertal ankündigte. Wie auch in den Jahren zuvor stellt der Verband seine Forderungen nach einer flächendeckenden Ausstattung mit Drogenkonsumräumen in allen großen Städten des Landes und der freien Wahl der zugelassenen Substitutionsmittel in den Mittelpunkt. Auch müsse das Strafrecht überarbeitet werden, um eine bessere rechtliche Absicherung substituierender Mediziner zu erreichen, erklärte Sprecher Jürgen Heimchen.

Angesichts der steigenden Zahlen der Drogentoten müsse es mehr Hilfen für Drogenabhängige in Form sogenannter Konsumräume geben, forderte Heimchen. Die Menschen seien im Wesentlichen aufgrund einer verfehlten Drogenpolitik gestorben. In Bayern, das weiterhin auf Verbote und Strafverfolgung setze, seien mehr Drogenkonsumenten als in NRW gestoben, wo im dritten Jahr in Folge die Zahl der Drogentoten sogar gesunken sei.

In Nordrhein-Westfalen werde mit gut ausgebauter Substitution, Konsumräumen und anderen Hilfsangeboten gearbeitet, betonte der Verbandssprecher. Das scheine der richtige Weg zu sein. Unter Aufsicht könne dort sicher konsumiert werden, der öffentliche Raum werde entlastet.



Diakonie

Unterschriften für bessere Pflegebedingungen überreicht



Eine Delegation von Diakonie und der Gewerkschaft ver.di hat 4.351 Unterschriften an Baden-Württembergs Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) übergeben. Die Unterzeichner fordern bessere Rahmenbedingungen für die Pflege, teilte die Diakonie am 13. Juli mit.

Das bedeute vor allem mehr Personal, um attraktive Arbeitsbedingungen, gesunde und verlässliche Arbeitszeiten sowie eine gesicherte Praxisanleitung der Auszubildenden sicherzustellen. Lucha begrüßte es der Mitteilung zufolgen, wenn Diakonie-Vertreter und ver.di der Politik "im Nacken sitzen".



Asyl

Diakonie: Sanktionen für Flüchtlinge absurd



Angesichts von anhaltenden Verzögerungen in Asylverfahren kritisiert die Diakonie die Sanktionen für integrationsunwillige Flüchtlinge im neuen Integrationsgesetz. Allein in Nordrhein-Westfalen seien weit über 100.000 kommunal untergebrachte Flüchtlinge noch nicht registriert, sagte die Flüchtlingsexpertin der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe (RWL), Karin Asboe, am 8. Juli in Düsseldorf. Die Einladungen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zur Antragstellung erreiche viele von ihnen nicht, weil die Behörde nicht genau wisse, wo die Asylsuchenden untergebracht seien. "Angesichts dieser Situation mit Sanktionen zu drohen, halten wir für absurd", sagte Asboe.

Das Integrationsgesetz, das am 8. Juli den Bundesrat passierte, regelt Angebote und Pflichten für Flüchtlinge zur Eingliederung in die Gesellschaft und den Arbeitsmarkt. Nehmen Flüchtlinge verpflichtende Integrationsangebote nicht wahr, versäumen sie Termine zur Antragstellung oder legen nicht die nötigen Dokumente vor, droht eine Kürzung der Sozialleistungen.

Die Diakonie-Expertin kritisierte auch, dass die individuelle Anhörung der Flüchtlinge unter der angestrebten Beschleunigung der Asylverfahren leide. "Unsere Flüchtlingsberatungsstellen berichten uns, dass ein Mitarbeiter pro Tag mindestens sechs Anhörungen bewältigen muss und dabei kaum Zeit für ein ausführliches Gespräch mit den Flüchtlingen bleibt", beklagte Asboe. Die BAMF-Mitarbeiter stammten oft aus anderen Behörden und seien nur kurz geschult worden. Es fehle auch an qualifizierten Dolmetschern. "Man industrialisiert das Asylverfahren, und das gefährdet meiner Ansicht nach die Rechtsstaatlichkeit."

Zur Beschleunigung der Asylverfahren schlug Asboe stattdessen vor, den Flüchtlingen, die wegen ihrer komplexen Fälle schon lange im Asylverfahren seien, eine befristete Aufenthaltserlaubnis zu geben. Zudem sollten allen Flüchtlingen Rechtsbeistände zur Seite gestellt werden. Damit habe etwa die Schweiz gute Erfahrungen gemacht.



Asyl

Hilfsorganisation medico kritisiert Flüchtlingspolitik



Die Hilfs- und Menschenrechtsorganisation medico international kritisiert die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung. Es würden nicht die Fluchtursachen bekämpft, sondern die Flucht und die Flüchtlinge selbst, sagte medico-Geschäftsführer Thomas Gebauer am 8. Juli in Berlin. Den Motiven für die Flucht sei aber mit einer Abschottung nicht beizukommen.

"Flucht und Migration sind das Ergebnis ungerechter globaler Verhältnisse, in denen ökonomische Interessen über die Rechte der Menschen dominieren", kritisierte Gebauer bei der Jahrespressekonferenz der Organisation. Ohne globale Umverteilung seien alle Programme zur Reduzierung der Fluchtursachen zum Scheitern verurteilt und "letztlich nur sinnloses Herumdoktern an den Symptomen".

Die seit fast 50 Jahren international tätige Hilfsorganisation mit Sitz in Frankfurt am Main sammelte im vergangenen Jahr nach eigenen Angaben insgesamt rund sechs Millionen Euro an Spenden ein. Dies sei eine Steigerung von mehr als sieben Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die Zuschüsse von öffentlicher Seite erhöhten sich zudem um 10,8 Prozent auf 4,4 Millionen Euro. Insgesamt förderte medico im vergangenen Jahr mehr als 100 Projekte in 28 Ländern.



Baden-Württemberg

Sprachkurse bringen Volkshochschulen an Grenzen



Die Volkshochschulen (VHS) in Baden-Württemberg haben durch eine "dramatisch gestiegene" Nachfrage nach Sprachkursen für Flüchtlinge ihre Kapazitätsgrenzen bei Personal und Räumen erreicht. Deshalb müssten sich neben den Kommunen verstärkt das Land und der Bund an der Finanzierung der Einrichtungen beteiligen, forderte der Volkshochschulverband Baden-Württemberg zum Abschluss seiner Jahrestagung in Bad Mergentheim am 8. Juli.

Der Bereich Sprachen sei innerhalb eines Jahres um über 200.000 Unterrichtsstunden gewachsen. Insgesamt boten die Volkshochschulen im Südwesten im vergangenen Jahr über drei Millionen Unterrichtsstunden an, 7,2 Prozent mehr als im Vorjahr. Das Land fördert den VHS-Bereich derzeit mit knapp neun Prozent Anteil an der Gesamtfinanzierung. Im Bundesdurchschnitt liegt der jeweilige Landesanteil bei über 13 Prozent.



Integration

Stiftung hilft Flüchtlingen beim Hochschuleinstieg



Die Werner-Reimers-Stiftung in Bad Homburg unterstützt Flüchtlinge beim Übergang an eine deutsche Hochschule. Das "Academic Welcome Program" richte sich an junge Menschen bis 27 Jahre, die in ihrer Heimat studiert oder einen Hochschulzugang erworben haben, sagte die Projektverantwortliche der Stiftung, Helena Schmedt, am 12. Juli dem Evangelischen Pressedienst (epd). Derzeit könnten sich nur Flüchtlinge aus dem Hochtaunus- und dem Main-Taunus-Kreis bewerben, deren Aufenthaltsstatus geklärt sei. Über eine Ausweitung des Programms auf andere Regionen werde jedoch bereits nachgedacht.

Die ersten fünf Stipendiaten, vier Syrer und eine Afghanin, seien im Februar dieses Jahres in das Programm aufgenommen worden, erläuterte Schmedt. Drei weitere syrische Bewerber würden gefördert, sobald sie durch einen Test ihre Studierfähigkeit nachgewiesen hätten. Eine dritte Auswahlrunde sei für den 27. Juli geplant. Das Stipendium werde in der Regel für ein Jahr bewilligt, eine Verlängerung um ein Jahr sei möglich.

Das Programm unterstütze die Stipendiaten zunächst dabei, Deutsch bis zum Niveau C1 des Europäischen Referenzrahmens zu erlernen, sagte Schmedt. Damit seien eine reguläre Einschreibung und die Bewerbung um Studienförderungen wie BAföG, das Deutschland-Stipendium oder den "HessenFonds" möglich. Das Programm biete außerdem die Mitarbeit in sozialen Projekten an und ein monatliches Büchergeld von 100 Euro. Ein höherer Betrag sei nicht ratsam, da er auf die Hartz-IV-Leistungen angerechnet würde, sagte Schmedt.

Das Stipendienprogramm ist eine gemeinsame Initiative der Werner-Reimers-Stiftung und des Bad Homburger "Rotary Clubs". Die Deutschkurse werden in Zusammenarbeit mit dem "International Office" der Frankfurter Goethe-Universität veranstaltet.



Verbände

AWO will keine AfD-Mitglieder beschäftigen



Die Mitgliedschaft in der rechtspopulistischen AfD kann für Mitarbeiter der Arbeiterwohlfahrt AWO ein Ende des Arbeitsverhältnisses nach sich ziehen. Die wiederholten rassistischen und menschenverachtenden Parolen von AfD-Politikern stünden im unvereinbaren Widerspruch zu den Grundwerten der AWO, heißt es in einem am 7. Juli in Magdeburg bekanntgewordenen Positionspapier des AWO-Bundesverbandes.

Die AWO werde dieser Partei aktiv entgegentreten, heißt es weiter: "Sollten Mitarbeiter der AWO oder ein Mitglied sich zu rechtsextremen, rassistischen und menschenverachtenden Haltungen bekennen, ist eine Kündigung oder eine Auflösung der Mitgliedschaft mit der AWO anzustreben." Über eine Vereinbarkeit der Beschäftigung mit einer AfD-Mitgliedschaft soll aber im Einzelfall und nach einem persönlichen Gespräch entschieden werden.

Die Präsidentin des AWO-Landesverbandes Sachsen-Anhalt, Barbara Höckmann, betonte, "die Arbeiterwohlfahrt hilft jedem Menschen ohne Unterschied in ihren sozialen Einrichtungen und Diensten". Vor dem Hintergrund des Erstarkens einer Partei, deren Führungspersonal die "Volksgemeinschaft" wieder aufleben lassen wolle, sehe die AWO demokratische Werte bedroht.

Mit Blick auf die Bedeutung der "Volksgemeinschaft" im Nationalsozialismus sagte Höckmann: "Wer für eine solche Weltsicht eintritt, arbeitet an der Abschaffung des modernen Sozialwesens und seiner Sicherungssysteme für sozial Benachteiligte." Zudem sei sie "höchst alarmiert, dass es organisatorische Schnittmengen zu rechtsradikalen Gruppen wie der Identitären Bewegung in Sachsen-Anhalt gibt, die offenkundig eng mit einzelnen Landtagsabgeordneten der AfD zusammenarbeiten".



Hamburg

Caritas eröffnet Zahnambulanz für Obdachlose



Der Hamburger Caritasverband hat im Gesundheitszentrum St. Pauli eine Zahnarztpraxis für obdachlose Menschen eröffnet. Sie soll das rollende "Zahnmobil" ergänzen, das seit 2008 auf Hamburgs Straßen unterwegs ist, wie der Verband am 11. Juli mitteilte.

In der Ambulanz sollen Menschen ohne Krankenversicherung und wohnungslose Menschen versorgt werden, deren Behandlung auf dem Zahnmobil nicht möglich ist, weil diese zu zeitintensiv ist oder weil eine Röntgenaufnahme benötigt wird. Zusätzlich können Patienten nach festen Kriterien auch Zahnersatz erhalten.

Die Caritas baut damit ihr Angebot in der medizinischen Versorgung bedürftiger Menschen weiter aus. Bereits 1995 startete der Verband mit einer rollenden Arztpraxis, vier Jahre später wurde die Krankenstube für Obdachlose eröffnet. Das Zahnmobil macht auch Aufklärungsarbeit über Zahngesundheit für Kinder und Jugendliche. Im vergangenen Jahr wurden 965 Patienten behandelt und allein 520 Zähne gezogen.

Umbau und Einrichtung der Zahnambulanz kosteten rund 125.000 Euro. Die Finanzierung erfolgte ausschließlich durch Spenden, Stiftungsgeldern und Eigenmittel.

"Ohne die großzügige Unterstützung zahlreicher Firmen und Institutionen hätten wir die Praxis nicht realisieren können", sagte Michael Edele, stellvertretender Direktor des Caritasverbandes in Hamburg. Er dankte vor allem dem Hamburger Spendenparlament, der Hartog-Stiftung und der Firma Böger Zahntechnik, die Zahnersatz kostenlos erstellen will. Laut Caritas leben in Hamburg etwa 2.000 Menschen auf der Straße oder unter Brücken, insgesamt sind mehr als 6.000 Menschen wohnungslos.



Lippe

Kirche unterstützt ältere Haftentlassene



Ein Modellprojekt von Lippischer Landeskirche und der Detmolder Justizvollzugsanstalt (JVA) soll ältere Menschen nach ihrer Haft unterstützen. Dazu hat die Diakonische Stiftung "Herberge zur Heimat" eine ehemalige Dienstwohnung der Justizvollzugsanstalt gemietet, in die zwei Männer über 60 Jahre einziehen werden, wie die Lippische Landeskirche am 11. Juli in Detmold mitteilte. Ein Netzwerk aus Mitarbeitern der Justizvollzugsanstalt, der diakonischen Einrichtung "Herberge zur Heimat", der Gefängnisseelsorge und Ehrenamtlichen begleite die Zeit vor und nach der Entlassung.

Bei Erfolg könne das Projekt ein Modell zur gesellschaftlichen Wiedereingliederung werden, erklärte JVA-Direktor Oliver Burlage. Die Zusammenarbeit zwischen der JVA und der "Herberge zur Heimat" sei in dieser Form seines Wissens nach bisher einmalig in Nordrhein-Westfalen. Die JVA Detmold habe im Jahr 2008 als erste von 38 Vollzugsanstalten in NRW eine eigene Abteilung für ältere Gefangene eingerichtet.

Der lippische Kirchenrat Tobias Treseler bezeichnete das Projekt als einen "Ausdruck christlicher Nächstenliebe". Verurteilte, die längere Haftstrafen verbüßt haben, hätten es sehr schwer, eine Wohnung oder einen Heimplatz zu finden, erklärte der Leiter der "Herberge zur Heimat", Matthias Neuper.

Hinzu kämen die allgemeinen Probleme, sich wieder an ein eigenverantwortliches Leben in Freiheit zu gewöhnen, sagte Neuper. Diese Betreuung könne die "Herberge" bei den Haftentlassenen übernehmen. Die Stiftung bietet ein betreutes Wohnen an. Finanziert werde diese Sozialbetreuung aus Mitteln des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe.



Behinderung

Neun Broschüren in Leichter Sprache über Sport



Die Sportorganisation Special Olympics Deutschland und der Verein "die reha" haben neun Broschüren in Leichter Sprache für Sportarten herausgegeben. Erklärt werden darin die Sportarten Badminton, Basketball, Bowling, Handball, Leichtathletik, Radfahren, Roller Skating, Schwimmen und Tennis, wie die beiden Organisationen am 8. Juli in Berlin mitteilten. Special Olympics ist nach eigenen Angaben die weltweit größte Sportorganisation, in der Menschen mit Lernschwierigkeiten sportlich aktiv werden können.

Die Hefte erklären auf 24 bis 52 Seiten wichtige Regeln und die Wettbewerbe der jeweiligen Disziplin. Großzügige Illustrationen und Infografiken sollen für Anschaulichkeit sorgen und Spaß am Sport vermitteln. Nach den Angaben haben Menschen mit Lernschwierigkeiten und anderen Beeinträchtigungen alle Hefte auf leichte Verständlichkeit geprüft.




sozial-Recht

Bundesverfassungsgericht

Schutz bei Massenentlassung gilt auch für Eltern in Elternzeit




Das Bundesverfassungsgericht hat zum Schutz bei Massenentlassungen entschieden.
epd-bild / Gustavo Alàbiso
Eltern in Elternzeit profitieren auch bei einer Massenentlassung von ihren stärkeren Schutzvorschriften. Dies geht aus einem am 6. Juli veröffentlichten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts hervor.

Nach der Entscheidung der Karlsruher Richter dürfen Beschäftigte mit besonderem Kündigungsschutz bei Massenentlassungen nicht benachteiligt werden. Das Bundesverfassungsgericht hob damit ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) in Erfurt als frauendiskriminierend auf.

Verspätet gekündigt

Im konkreten Fall war die Klägerin als "Ticketing/Reservation Agent" bei einer früheren griechischen Fluggesellschaft beschäftigt, die in Zahlungsschwierigkeiten geriet. Im Dezember 2009 zeigte die Fluglinie bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) eine Massenentlassung aller Beschäftigten in Deutschland an. Kurz darauf gingen die Kündigungen raus.

Da die Klägerin sich noch in Elternzeit befand und damit grundsätzlich Kündigungsschutz besteht, musste die für den Arbeitsschutz zuständige oberste Landesbehörde der Kündigung erst zustimmen. Da die Zustimmung erst nach der Massenentlassung ihrer Kollegen eintrudelte, wurde der Frau verspätet im März 2010 gekündigt.

Die Massenentlassungen des Unternehmens wurden vom BAG für unwirksam erklärt, weil der Betriebsrat nicht, wie gesetzlich vorgeschrieben, informiert worden war. Die Kündigung der Klägerin sei dagegen wirksam. Diese sei wegen der Elternzeit nicht im Rahmen der Massenentlassung erfolgt, so dass die BA und der Betriebsrat auch nicht über ihre Kündigung hätten informiert werden müssen, urteilte das BAG.

Das Bundesverfassungsgericht entschied: Die Beschwerdeführerin werde in ihrem Grundrecht auf Gleichbehandlung verletzt, indem sie im Zusammenhang mit ihrer Elternzeit "vom Anwendungsbereich des Massenentlassungsschutzes" ausgeschlossen wird.

"Geringeres Schutzniveau"

Laut BAG gelte der Schutz bei Massenentlassungen - hier die Pflicht des Arbeitgebers, die BA und den Betriebsrat zu informieren - zwar auch für Arbeitnehmer in Elternzeit. Nach dem Kündigungsschutzgesetz muss der Arbeitgeber die BA informieren, bevor er die Arbeitnehmer innerhalb von 30 Tagen entlässt. Da aber bei einer Entlassung während der Elternzeit erst die für den Arbeitsschutz zuständige Landesbehörde informiert werden muss, führt das Abwarten auf die behördliche Erklärung dazu, dass die Kündigung erst außerhalb des für eine Massenentlassung relevanten 30-Tage-Zeitraums ausgesprochen werden kann, so das BAG.

In Elternzeit befindliche Arbeitnehmer könnten sich dann nicht mehr auf die Schutzvorschriften bei einer Massenentlassung berufen, rügte das Bundesverfassungsgericht. Dies führe zu einem "geringeren Schutzniveau" für Personen in Elternzeit, "die nach dem Willen des Gesetzgebers besonders schutzwürdig sind und deshalb besonderen Kündigungsschutz genießen".

Es liege eine "faktische Benachteiligung wegen des Geschlechts" vor. Denn gerade Frauen würden besonders häufig in Elternzeit gehen und könnten dann von den Schutzvorschriften bei einer Massenentlassung nicht profitieren.

Dabei lasse sich die Benachteiligung vermeiden. So könne die 30-Tage-Frist als gewahrt gelten, wenn bereits der Kündigungsantrag des Arbeitgebers bei der zuständigen Landesbehörde für Arbeitsschutz innerhalb dieses Zeitraums erfolgt.

Az.: 1 BvR 3634/13

Frank Leth


Bundesverfassungsgericht

Rollstuhlfahrer müssen sich nicht anschnallen



Rollstuhlfahrer müssen sich auf dem Fußgängerweg nicht im Rollstuhl anschnallen. Bei einem Unfall darf ihnen daher auch nicht das Schmerzensgeld wegen "Mitverschuldens" gekürzt werden, entschied das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe in einem am 7. Juli veröffentlichten Beschluss.

Geklagt hatte ein Schüler, der an fortsetzendem Muskelschwund erkrankt ist und sich nur mit einem Elektro-Rollstuhl fortbewegen kann. Im November 2014 wurde er auf dem Weg zu seiner Schule auf einem Fußgängerüberweg von einem Auto angefahren. Der Schüler fiel aus dem Rollstuhl und erlitt eine Schädelprellung. Von dem Unfallverursacher forderte er ein Schmerzensgeld. Es ging um 700 Euro.

Das Amtsgericht Bretten in Baden-Württemberg kürzte den Schmerzensgeldanspruch um ein Drittel. Der behinderte Schüler habe sich in seinem Rollstuhl nicht angeschnallt. Ihn treffe daher ein Mitverschulden. Auch wenn der Beckengurt am Rollstuhl nur für Transporte mit dem Auto vorgesehen ist, hätte der Schüler mit dem Anschnallen die Verletzungen verhindern können.

Das Bundesverfassungsgericht sah darin jedoch eine verfassungswidrige Benachteiligung wegen der Behinderung. Es sei nicht ersichtlich, dass ein "ordentlicher und verständiger, auf den Rollstuhl angewiesener Mensch" immer den Beckengurt am Rollstuhl anlege, obwohl dieser nur für den Kfz-Transport vorgesehen ist. Das bloße Vorhandensein des Gurtes führe nicht zu einer höheren Sorgfaltspflicht des Behinderten. Das Amtsgericht muss nun über das Schmerzensgeld neu entscheiden.

Az.: 1 BvR 742/16



Bundesverfassungsgericht

Klage auf Familienzusammenführung erleichtert



Stellt ein abgeschobener Asylbewerber einen Antrag auf Familienzusammenführung mit seiner seit Jahren in Deutschland lebenden Familie, muss er sich gegen eine ablehnende Entscheidung der Ausländerbehörde auch gerichtlich wehren können. Wenn darüber hinaus Anhaltspunkte für eine "außergewöhnliche Härte" vorliegen, müssen Gerichte Prozesskostenhilfe gewähren, entschied das Bundesverfassungsgericht in einem am 5. Juli veröffentlichten Beschluss. Denn solche schwierigen Rechtsfragen könnten nur im Hauptsacheverfahren und nicht bereits im Verfahren um die Prozesskostenhilfe geklärt werden.

Damit kann sich ein abgeschobener Nigerianer wieder Hoffnung auf Familienzusammenführung machen. Als mehrere seiner Anträge auf Visumerteilung zur Familienzusammenführung abgelehnt wurden, wollte der 40-Jährige vor Gericht ziehen und beantragte Prozesskostenhilfe.

Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg lehnte dies ab. Auch wenn er seine Lebensgefährtin heiraten wolle und seine minderjährigen Kinder in Deutschland integriert seien, könnten sie ja nach Nigeria zu ihrem Vater ziehen. Die gesetzlich erforderliche "außergewöhnliche Härte" für die Visaerteilung liege nicht vor.

Das Bundesverfassungsgericht entschied, dass das OVG die Prozesskostenhilfe nicht hätte versagen dürfen. Hier handele es sich um schwierige ungeklärte Rechtsfragen, die nur im Hauptverfahren entschieden werden könnten.

Das Gericht habe das Vorliegen einer "außergewöhnliche Härte" verneint, weil die Familie zum Vater ziehen könne. Es sei aber gar nicht geklärt worden, inwieweit das Grundrecht auf Schutz von Ehe und Familie hier berücksichtigt werden müsse. So wolle der Vater seine Partnerin heiraten. Auch die Kinder seien in Deutschland integriert. Ob insbesondere der ältesten Tochter ein dauerhafter Aufenthalt in Nigeria zugemutet werden kann, sei nicht geprüft worden.

Az.: 2 BvR 748/13



Bundesarbeitsgericht

Einsicht in die Personalakte nicht mit dem Anwalt



Arbeitnehmer dürfen nicht gegen den Willen des Arbeitgebers ihren Anwalt mit in die Firma bringen, damit dieser in die Personalakte Einsicht nehmen kann. Der Arbeitgeber kann von seinem Hausrecht Gebrauch machen - vorausgesetzt, er erlaubt dem Beschäftigten das Kopieren der Akte, wie das Bundesarbeitsgericht (BAG) am 12. Juli in Erfurt urteilte.

Geklagt hatte ein Lagerist, der nach einem Betriebsübergang von seinem Arbeitgeber eine Ermahnung erhielt. Um diese rechtlich überprüfen zu lassen, beantragte er, dass seine Anwältin Einsicht in die Personalakte erhält. Nach dem Gesetz stehe ihm oder einem Mitglied des Betriebsrates die Einsicht zu. Das müsse dann auch für seine Rechtsvertreterin gelten.

Der Arbeitgeber wollte die Anwältin nicht in der Firma sehen und verwies auf sein Hausrecht. Er erlaubte jedoch dem Beschäftigten, die einzelnen Schriftstücke seiner Akte zu kopieren.

Damit muss die Anwältin auch nicht in die Firma kommen, so das BAG. Der Kläger brauche nur die Kopien anzufertigen, um diese dann mit seiner Rechtsanwältin zu besprechen. Der Senat ließ offen, inwieweit einem Anwalt zur Einsichtnahme in die Personalakte Zutritt gewährt werden muss, wenn der Arbeitgeber das Kopieren der Schriftstücke nicht erlaubt.

Az.: 9 AZR 791/14



Oberverwaltungsgericht

Hautallergie gegen Tonerstaub kein Dienstunfall



Ein Finanzbeamter ist mit einer Klage vor dem Oberverwaltungsgericht Münster gescheitert, eine Hautallergie auf Tonerstaub als Dienstunfall anerkannt zu bekommen. Als Begründung reiche nicht nur eine drohende Erkrankung am Arbeitsplatz, vielmehr müsse ein Beamter der Gefahr einer sogenannten Kontaktdermatitis besonders ausgesetzt sein, heißt es in dem am 12. Juli veröffentlichten Beschluss. Die besondere Gefährdung müsse dabei für die Tätigkeit des Beamten typisch sein und in erheblich höherem Maße als bei der übrigen Bevölkerung bestehen.

Geklagt hatte ein Beamter aus Lüdinghausen, der in verschiedenen Finanzämtern des Landes Nordrhein-Westfalen tätig war. Er machte geltend, durch Tonerstaub von Laserdruckern in den Büros an einer Kontaktdermatitis erkrankt zu sein. Die Oberfinanzdirektion sah hier jedoch keine erhöhtes Krankheitsrisiko am Arbeitsplatz und verweigerte dem Beamten die Anerkennung der Erkrankung als Dienstunfall.

Auch die Richter des Oberverwaltungsgerichts zweifelten in dem Fall an einer besonderen Gesundheitsgefährdung für Beamte einer Behörde. Zwar könne Tonerstaub, der sich in der Büroluft als auch auf den Schriftstücken befinde, eine Kontaktdermatitis verursachen. Doch daraus folge nicht, dass die Tätigkeit im Innendienst eines Finanzamtes eine höhere Wahrscheinlichkeit der Erkrankung mit sich bringe als in anderen Berufen, etwa bei Friseuren. Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts ist rechtskräftig.

Az.: 3A 964/15



Landessozialgericht

Höheres Elterngeld wegen Weihnachts- und Urlaubsgeld



Erhalten Eltern ihr Urlaubs- und Weihnachtsgeld in Form eines 13. und 14. Monatsgehalts, muss dies bei der Berechnung des Elterngeldes erhöhend berücksichtigt werden. Denn die beiden Zahlungen seien "laufender Arbeitslohn" und prägen damit die "individuelle vorgeburtliche Lebenssituation" in gleicher Weise wie die monatlichen Zahlungen des Grundgehalts, entschied das Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg in einem am 6. Juli veröffentlichten Urteil. Werde Urlaubs- und Weihnachtsgeld dagegen nicht als regelmäßiges 13. und 14. Monatsgehalt deklariert, seien sie als einmalige "sonstige Bezüge" einzuordnen, für die es kein höheres Elterngeld gebe.

Damit bekam eine Frau recht, die höheres Elterngeld beanspruchte. Sie verlangte, dass auch ihr 13. und 14. Monatsgehalt, das als "Urlaubs- und Weihnachtsgeld" tituliert wurde, mit in die Elterngeldberechnung einfließt.

Die Elterngeldstelle lehnte dies ab. "Urlaubs- und Weihnachtsgeld" seien als "sonstige Bezüge" zu werten, die sich nicht erhöhend auf das Elterngeld auswirken.

Das LSG sah dies anders und stellte auf das Ziel des Elterngeldes ab, kindbedingte Einbußen beim Lebensstandard aufzufangen. Die Zahlungen seien als "laufender Arbeitslohn" zu werten. Maßgeblich seien die laufenden Zahlungen in den letzten zwölf Monaten. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) könne es für die Berücksichtigung beim Elterngeld ausreichen, dass Zahlungen "mehrmals" - und damit auch zweimalig - erfolgen.

Hier seien die beiden Zahlungen nicht zusätzlich und ohne rechtliche Verpflichtung erfolgt, sondern seien "unmittelbar Bestandteil des Jahresgesamtlohnanspruchs und werden arbeitsvertraglich einem unterjährigen Intervall zugeordnet", so das LSG. Wegen grundsätzlicher Bedeutung wurde die Revision zum BSG zugelassen. Dort ist das Verfahren unter dem Aktenzeichen B 10 EG 5/16 R anhängig.

Az.: L 17 EG 10/15



Oberlandesgericht

Islamische Ehe wird nach deutschem Recht geschieden



Eine im Ausland nach islamischem Recht geschlossene Ehe kann in Deutschland nach deutschem Recht geschieden werden. Auch der Ehevertrag ist dann nach hiesigen Maßstäben auszulegen, wie das Oberlandesgericht (OLG) Hamm in einem am 6. Juli Beschluss entschied. Danach steht im Streitfall der Frau eine "Abendgabe" in Höhe von 15.000 US-Dollar zu, auch wenn sie selbst die Scheidung eingereicht hat.

Der heute 31-jährige deutsche Kläger libanesischer Abstammung hat 2005 seine damals 16 Jahre alte Frau nach muslimisch-sunnitischem Recht in Beirut geheiratet. Dabei wurde vereinbart, dass diese im Fall einer Scheidung eine "Abendgabe" in Höhe von 15.000 US-Dollar erhält.

Als das in Bochum lebende Paar sich 2013 trennte und die Frau die Scheidung einreichte, wollte der Mann die "Abendgabe" nicht zahlen. Nach muslimisch-sunnitischem Recht werde diese erst fällig, wenn der Mann einen "Talaq", einen Scheidungsverstoß, begangen habe. Das habe er aber nicht. Er habe die Scheidung nicht eingereicht.

Zwar seien Ehe und Ehevertrag nach muslimisch-sunnitischem Recht geschlossen worden, so das OLG. Doch das Paar habe während der gesamten Ehe und auch danach in Deutschland gelebt. Für Scheidung und Trennung sei daher das hiesige Recht maßgeblich.

Danach sei "nachehelicher Unterhalt grundsätzlich unabhängig vom Trennungsgrund und auch verschuldensunabhängig zu leisten". Gegenteilige Regelungen des muslimisch-sunnitischem Rechts seien mit "wesentlichen Grundgedanken" des deutschen Rechts nicht vereinbar und daher hier nicht anwendbar. Daher müsse der Mann die vereinbarte "Abendgabe" auch dann zahlen, wenn die Frau die Scheidung eingereicht hat.

Az.: 3 UF 262/15



Oberlandesgericht

Gefängnisleitung darf RAF-nahe Zeitschrift nicht generell verbieten



Die Leitung einer Justizvollzugsanstalt darf einer Gerichtsentscheidung zufolge Strafgefangenen zwar Zeitschriften mit politisch extremistischem Inhalt in Teilen vorenthalten, aber nicht generell verbieten. Nach dem nordrhein-westfälischen Strafvollzugsgesetz könne ein Inhaftierter grundsätzlich frei wählen, welche Zeitung oder Zeitschrift er beziehen wolle, heißt es in dem am 8. Juli veröffentlichten Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm. Dabei reiche es nicht aus, wenn nur der Inhalt des Druckerzeugnisses gegen Strafgesetze verstoße, vielmehr müsse die Verbreitung der Zeitschrift unter Strafe stehen oder mit einer Geldbuße belegt sein.

Das OLG hob mit dem rechtskräftigen Beschluss ein erstes Urteil des Landgerichts Bochum auf, das ein entsprechendes Verbot der Leitung der dortigen JVA bestätigt hatte. Der betroffene Strafgefangene hatte dagegen Rechtsbeschwerde eingelegt.

Der Häftling bezieht seit 2015 die linksgerichtete Zeitschrift "Gefangenen Info", die aus der Zeitschrift "Hungerstreik Info" hervorgegangen ist, die während des Hungerstreiks von inhaftierten Terroristen der "Roten Armee Fraktion" (RAF) verbreitet wurde. Die JVA-Leitung sah in dem politisch motivierten Info-Blatt eine Bedrohung der Sicherheit. Sie argumentierte, darin würden unter anderem Themen wie Hungerstreiks und Missstände bei Haftbedingungen behandelt, die die JVA-Ordnung sowie das Vollzugsziel des Gefangenen gefährdeten. Dem Mann wurde seit Mai 2015 die Zeitschrift mit der Begründung nicht mehr ausgehändigt, er hätte den Bezug nicht beantragt.

Nach Ansicht der Richter am Oberlandesgericht Hamm rechtfertigen die von der Gefängnisleitung aufgeführten Gründe nur die Vorenthaltung von einzelnen Ausgaben oder Teilen von Inhalten, nicht aber ein generelles Bezugsverbot. Es sei daher jede Einzelausgabe einer Zeitschrift dahingehend zu überprüfen, ob durch sie oder Teile davon die Sicherheit oder Ordnung der JVA erheblich gefährdet würden, heißt es in dem Urteil. Die Haftanstalt wurde angewiesen, dem Gefangenen die Möglichkeit zu geben, den Antrag auf den Bezug der Zeitschrift noch nachträglich zu stellen.

Az.: 1 Vollz (Ws) 1/16



Verwaltungsgericht

Stadt darf Kommunalpolitiker Besuch in Flüchtlingsunterkunft verwehren



Ratsmitglieder haben kein unbeschränktes Besuchsrecht in einem Flüchtlingsheim. Das Verwaltungsgericht Köln wies am 7. Juli die Klage eines Ratsherrn der rechtsextremen Splitterpartei "Pro NRW" ab, dem die Stadt unter Verweis auf die Wahrung der Privatsphäre der Flüchtlinge keinen Besuchstermin in der Unterkunft Paulusheim genehmigt hatte.

Gegen das Urteil ist Berufung zulässig, über die das Oberverwaltungsgericht Münster entscheiden müsste. Der Kläger hatte nach Angaben des Gerichts seine Informations- und Kontrollrechte als Ratsmitglied geltend gemacht. Dazu müsse er sich über die Zustände in der Unterkunft informieren.

Das Gericht wies diese Argumentation zurück. Das Informationsrecht müsse im Zusammenhang mit einer konkreten Aufgabe des Rates stehen. Eine solche Aufgabe habe der Kläger weder aufgezeigt, noch sei sie erkennbar. Im Übrigen habe die Privatsphäre der Flüchtlinge im vorliegenden Einzelfall Vorrang vor dem Informationsrecht.

Az.: 4 K 6700/15



Gerichtshof für Menschenrechte

Frankreich wegen Inhaftierung von Kindern verurteilt



Frankreich ist in fünf Fällen vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) verurteilt worden, weil es im Zuge von Abschiebungen auch Kinder eingesperrt hat. Die Administrativhaft von Minderjährigen, deren Eltern sie bei sich behalten wollen, könne zwar grundsätzlich rechtmäßig sein. Sie dürfe aber nur das letzte Mittel sein und müsse auf kurze Zeit in angemessener Umgebung beschränkt sein, urteilten die Straßburger Richter am 12. Juli. Frankreich habe daher mit der Behandlung der Kinder fünf Mal gegen Artikel drei der Europäischen Menschenrechtskonvention verstoßen. Dieser verbietet Folter und unmenschliche oder erniedrigende Behandlung.

Unter anderem war ein Ehepaar aus Armenien mit seinem vierjährigen Sohn betroffen. Die Familie war aus Furcht vor politischer Verfolgung geflohen, da der Mann Journalist war und sich politisch engagierte. Nach der Ankunft in Frankreich im Oktober 2009 beantragten die Armenier Asyl, wie der EGMR erläuterte. Nach Ablehnung der Anträge sollten sie Anfang 2012 abgeschoben werden und wurden in eine Hafteinrichtung in Toulouse gebracht. Das kleine Kind wollte das Paar lieber mitnehmen, als es allein in die Obhut des Staates zu geben. 18 Tage musste die Familie in der Abschiebehaft verbringen.

Angesichts des Alters des Jungen, der Dauer und der Bedingungen der Unterbringung verstieß seine Haft gegen die Menschenrechte, entschieden die Richter. Neben dem Artikel drei der Menschenrechtskonvention sahen sie auch die Artikel fünf und acht verletzt, die die Rechte auf Freiheit und Sicherheit sowie auf Achtung des Privat- und Familienleben schützen.

Insbesondere hätten die französischen Behörden nicht darlegen können, dass sie genügend nach einer Alternative gesucht hätten. Der Familie wurden 9.000 Euro Schadenersatz und 10.000 Euro für ihre Auslagen zugesprochen. Auch in den vier anderen Fällen muss der französische Staat zahlen, teilweise aber erheblich weniger.

Az.: 11593/12

Az.: 33201/11

Az.: 24587/12

Az.: 68264/14

Az.: 76491/14



Frankreich

EuGH-Anwältin: Schleierverbot für Angestellte rechtswidrig



Die Entlassung einer Muslimin in Frankreich wegen ihres Kopftuchs ist nach Ansicht der Generalanwältin am Europäischen Gerichtshof (EuGH), Eleanor Sharpston, rechtswidrig. Die Projektingenieurin sei in den Augen der Generalanwältin wegen ihrer Religion benachteiligt worden, erklärte der EuGH am 13. Juli in Luxemburg. Denn "ein Projektingenieur, der seine Religion oder Weltanschauung nicht bekannt hätte, wäre nicht entlassen worden", heißt es in der Mitteilung des Gerichts unter Berufung auf Sharpstons Schlussanträge in dem Fall. Die Schlussanträge der Generalanwältin bilden ein unabhängiges Gutachten für die Richter des EuGH, deren Urteil folgt zu einem späteren Zeitpunkt.

Die Frau hatte nach Schilderung des EuGH von Mitte 2008 an für ein französisches IT-Beratungsunternehmen als Projektingenieurin gearbeitet. Zu ihren Aufgaben gehörten auch Kundenbesuche. Dabei soll sich einer der Kunden über ihr Kopftuch beschwert haben. Die Firma verlangte daraufhin von der Muslimin, das Tragen des Kopftuchs bei dem nächsten Besuch zu unterlassen. Nachdem die Frau dies abgelehnt hatte, wurde sie nach Angaben des EuGH im Juni 2009 entlassen.

Nachdem die Frau in Frankreich geklagt hatte, bat ein französisches Gericht den EuGH um Klärung. Denn der Fall berührt eine EU-Richtlinie. Ihr zufolge ist Diskriminierung am Arbeitsplatz wegen der Religion oder Weltanschauung verboten. Das Gesetz lässt Ausnahmen zu, insbesondere wenn es um wesentliche und entscheidende berufliche Anforderungen geht. Die EuGH-Generalanwältin sah dies aber nicht gegeben. In ihren Augen sei nicht ersichtlich, dass die Frau "ihre Aufgaben als Projektingenieurin nicht habe wahrnehmen können, weil sie ein islamisches Kopftuch getragen habe", erklärte das Gericht.

Az.: C-188/15




sozial-Köpfe

Personalien

Horst Vöge ist neuer Vorsitzender des VdK Nordrhein-Westfalen




Horst Vöge
epd-bild/VdK Nordrhein-Westfalen
Horst Vöge ist neuer Vorsitzender des Sozialverbandes VdK Nordrhein-Westfalen. Der Landesverbandstag wählte den 68-jährigen Dinslakener zum Nachfolger von Karl-Heinz Fries.

Karl-Heinz Fries hatte nach sechs Jahren an der Spitze des Sozialverbandes nicht mehr für den Vorsitz kandidiert. Er ist jedoch für den VdK weiterhin als Vizepräsident des Bundesverbandes, als Vorsitzender des Kreisverbandes Siegen-Olpe-Wittgenstein und des Ortsverbandes Burbach engagiert, wie der VdK am 6. Juli in Düsseldorf mitteilte.

Sein Nachfolger Horst Vöge wurde den Angaben zufolge in der Nähe von Stralsund geboren und wuchs in Duisburg auf. Nach der Schule absolvierte er eine Kochlehre und studierte danach Geschichte, Politik und Wirtschaft an der Uni Duisburg. Anschließend war er als Restaurantleiter, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bundestag und als Angestellter im Bergbau tätig. Von 1990 bis 2005 saß Vöge als Abgeordneter für die SPD im NRW-Landtag. Seit 2009 ist er Vorsitzender des VdK-Kreisverbandes am Niederrhein, seit 2010 stellvertretender Vorsitzender des VdK NRW.

Als Vorsitzender wolle er sich vor allem "für die Zukunft der Pflege, den Kampf gegen Altersarmut sowie die Schaffung von Barrierefreiheit in allen gesellschaftlichen Bereichen einsetzen", kündigte Vöge an. Der Sozialverband VdK versteht sich als Interessenvertretung für Rentner, Menschen mit Behinderungen, Arbeitslose, Pflegebedürftige sowie Kriegs-, Wehrdienst- und Unfallopfer. Bundesweit zählt der VdK etwa 1,7 Millionen Mitglieder, davon mehr als 310.000 in NRW.



Weitere Personalien



Andreas Maurer (56), Theologe, wird neuer Vorstand und Hauptgeschäftsführer der diakonischen Paulinenpflege Winnenden. Der Aufsichtsrat der Paulinenpflege wählte den gebürtigen Heilbronner als Nachfolger des promovierten Theologen Thomas Weinmann (65). Weinmann geht im Herbst nach 23 Jahren an der Spitze der Paulinenpflege in den Ruhestand. Maurer ist seit 2011 für die Paulinenpflege tätig, derzeit als Geschäftsführer für Marketing, Kommunikation und Entwicklung. Er hat neben Theologie auch Sozialmanagement studiert und war zwölf Jahre Nahost-Referent der Evangelischen Mission in Solidarität (ems) und gleichzeitig Geschäftsführer des Evangelischen Vereins für die Schneller-Schulen (EVS). 2011 wechselte Maurer als Assistent des Vorstands zur Paulinenpflege, die 1.400 Mitarbeitende in der Jugend- und Behindertenhilfe zählt.

Christine Langenfeld (53), Göttinger Staatsrechtlerin, wird neue Richterin am Bundesverfassungsgericht. Der Bundesrat wählte sie am 8. Juli einstimmig für den Zweiten Senat des höchsten deutschen Gerichts. Arbeitsschwerpunkte Langenfelds sind unter anderem das grundgesetzliche Diskriminierungsverbot und die Gleichstellung. Sie forscht zudem über das Migrations- und Integrationsrecht, das Bildungsrecht sowie das Verhältnis von Staat und Religion. Sie wird die vierte Frau im achtköpfigen Zweiten Senat. Langenfeld soll auf Herbert Landau folgen.

Katharina Focke, frühere Bundesministerin für Jugend, Familie und Gesundheit, ist im Alter von 93 Jahren gestorben. Die SPD-Politikerin gehörte der Bundesregierung von 1972 bis 1976 an. Als Bundesfamilienministerin setzte sie sich 1972 bis 1976 für die Familien in unserem Land ein. Sie war die Architektin der großen Ehe- und Familienrechtsreform, die 1976 unter anderem dafür sorgte, dass künftig Männer und Frauen in der Familie gleichberechtigt sind. In ihre Amtszeit fielen die umfassende Reform des Familienrechtes und die Einführung des Kindergeldes auch für das erste Kind. Auch die Gesundheitsförderung und der Nichtraucherschutz waren für sie wichtige Anliegen.

Elke Reinfeld (56) ist neue Pflegedirektorin am Diakonie-Klinikum Stuttgart. Sie hat das Amt am 1. Juli 2016 übernommen und trägt Verantwortung für etwa 450 Mitarbeiter im Pflegedienst. Die Diplom-Pflegewirtin (FH) war zuvor Pflegedirektorin im Diakoniekrankenhaus Friederikenstift Hannover. Reinfeld studierte nach einer Krankenpflegeausbildung berufsbegleitend Pflegemanagement und schloss als Diplom-Pflegewirtin (FH) ab. Nach dem Studium übernahm sie die Pflegedienstleitung im Diakoniekrankenhaus Friederikenstift in Hannover. Seit 2003 war sie dort Pflegedirektorin und Oberin der großen Diakonieschwesternschaft.

Norbert Bethge, langjähriger Chefarzt und medizinischer Geschäftsführer, ist rückwirkend zum 10. Mai zum Hauptgeschäftsführer des Krankenhauses Bethel im Südwesten Berlins berufen. Damit besetzte das Diakoniewerk Bethel als Träger des Lichterfelder Notfallkrankenhauses den vakanten Posten mit einer Persönlichkeit, die seit Jahrzehnten mit dem Unternehmen verbunden ist. Der Privatdozent war bisher internistischer Chefarzt.

Lisa Miller hat beim evangelischen Dekanat Fürth Anfang Juli eine halbe Stelle als Koordinatorin der ehrenamtlichen Flüchtlingsarbeit angetreten. Die Sozialpädagogin betreue rund 350 Ehrenamtliche, die sich in der Flüchtlingsarbeit der evangelischen Gemeinden engagierten. Miller ist dabei zuständig für die Vernetzung mit Gruppen der Caritas und anderen Freiwilligenzentren.

Thiemo Fojkar, Vorstandsvorsitzender des Internationalen Bundes (IB), ist in seinem Amt als Vorsitzender des Bundesverbandes der Träger beruflicher Bildung bestätigt worden. Der Verband ist der Zusammenschluss großer Anbieter von Bildungsprogrammen in Deutschland.

Anna Pfeiffer und Christoph Götz stehen an der Spitze des Vorstandes des Bundesjugendwerks der Arbeiterwohlfahrt (AWO). Pfeiffer stammt aus Essen, Götz aus Potsdam. Dem Gremium gehören noch sechs weitere Personen an. Der Verband ist eigenständig innerhalb der AWO und kümmert sich um die Belange der örtlichen Kinder- und Jugendarbeit.




sozial-Termine



Die wichtigsten Fachveranstaltungen bis September

Juli

18.7. Freiburg:

Seminar "Finanzierung, Bilanzierung und Controlling stationärer Pflegeeinrichtungen

vor dem Hintergrund der neuen LHeimBauVO BW"

der Unternehmensberatung Solidaris

Tel.: 02203/8997-221

www.solidaris.de

18.-19.7. Freiburg:

Fachtagung "Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Jung, allein

und auf der Flucht"

der Fortbildungsakademie des Caritasverbandes

Tel.: 0761/200-1700

www.fak-caritas.de

20.-21.7. Regensburg:

Seminar "Und wer springt morgen wieder ein?"

der Katholischen Akademie für Berufe im Gesundheits- und Sozialwesen

Tel.: 0941/56 96 0

August

23.8. Kassel:

Fachtag "Einfangen, auffangen und halten! In Netzwerken Auszubildende gewinnen und Fachkräfte binden"

des Deutschen Evangelischen Verbandes für Altenarbeit und Pflege

Tel.: 030/83001278

www.devap.info.de

September

4.-7.9. Augsburg:

Jahrestagung "Alternde entwickelte Länder - junge Entwicklungsländer"

des Vereins für Socialpolitik

Tel.: 069/568076-10

www.socialpolitik.de

7.-10.9. Leipzig:

Kongress "Qualität braucht Miteinander, Mut und Kompetenz"

der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin

Tel.: 030/301010013

www.dpg2016.de

8.9. Münster:

Seminar "Neue Entwicklungen bei der Besteuerung von Krankenhäusern"

der BPG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft

Tel.: 0521/48204-12

www.bpg-muenster.de/seminarangebote-bpg-unternehmensgruppe

12.9. Berlin:

Seminar "Leistungserbringung in der Kinder- und Jugendhilfe"

der BFS Service GmbH

Tel.: 0221/97356-159

www.bfs-service.de

14.9. Frankfurt a.M.:

Seminar "Dienstpläne gestalten - Praktische Erläuterungern zum BAG-Urteil von 2013"

der Arbeitsgemeinschaft caritativer Unternehmen

Tel.: 0228/926166-0

www.a-cu.de

14.-15.9. Stuttgart:

Seminar "Arbeitsrecht für Führungskräfte"

der Paritätischen Akademie Süd

Tel.: 0711/2155-184

www.akademiesued.org

14.-17.9. Berlin

Weltkongress "Betreuungsrecht"

des Betreuungsgerichtstags

Tel.: 0234/6406572

www.bgt-ev.de

15.9. Münster:

Seminar "Die Zukunft sichern - Verbundbildung bei der Trägern der Altenhilfe"

der Unternehmensgruppe BPG

Tel.: 0251/4820412

www.bpg-muenster.de/seminarangebote

19.9. Berlin:

Seminar "Arbeitsmarktzugang für Geflüchtete. Rechtliche Möglichkeiten für Geflüchtetete"

der SozDia Stiftung Berlin

Tel.: 030/32299404

www.sozdia.de

21.-22.9. Kassel:

Fachtagung "Management in der Suchttherapie"

des Bundesverbandes für stationäre Suchttherapie

Tel.: 0561/779351

www.suchthilfe.de

29.9. Freiburg:

Seminar "Jahresabschlusserstellung und Arveitsergebnisrechnung in WfbM"

der Unternehmensberatung Solidaris

www.solidaris.de

30.9. Berlin:

"Crash-Kurs Europäische Fördermittel für die Sozialwirtschaft"

der BFS-Service GmbH

Tel.: 0221/97356160